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Potsdam-Mittelmark: Schüler unterrichten Schüler
Das Beelitzer Sally-Bein-Gymnasium geht auf Werbetour im Landkreis, um die Klassen vollzubekommen
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Michendorf / Beelitz - Der Gong ertönt, es geht los: „Legt den Kopf auf den Tisch, schließt die Augen, wir machen jetzt eine Reise.“ Mit diesen Worten beginnen Carolin Meyer und Marlene Peter die Biostunde an der Michendorfer Grundschule. Es ist kein gewöhnlicher Unterricht, es ist eine Werbestunde. Die Biolehrerinnen sind nur wenige Jahre älter als die Grundschüler.
Seit zehn Jahren schickt das Beelitzer Sally-Bein-Gymnasium seine Schüler auf Werbetour an Grundschulen nach Michendorf, Beelitz, Seddin, Kloster Lehnin und Brück. „Schüler unterrichten Schüler“, so nennt sich das Projekt, bei dem Schüler der Oberstufe freiwillig Lehrer spielen. Während in der Region Teltow und in Potsdam die Schulen aus allen Nähten platzen, muss das Gymnasium in Beelitz schauen, dass die Klassen voll werden. Das Projekt war entstanden, als zwei Jahre lang keine siebten Klassen zustandekamen. „Da wussten wir, dass wir aktiver werden müssen“, sagt Angela Fromhold-Treu. Die Gymnasiallehrerin koordiniert das ungewöhnliche Projekt.
Die zwei 16- und 17-jährigen Lehrerinnen für einen Tag nehmen in ihrer Biologiestunde die Sinnesorgane durch. Den Ablauf der Stunde haben sie sich selbst überlegt und vorbereitet. Schon auf der Traumreise zu Beginn müssen die Schüler sagen, was sie in ihrer Phantasie alles wahrgenommen haben. Danach folgt Gruppenarbeit mit Schokolade.
Kurz vor der Zeugnisvergabe ist im Januar und Februar die heiße Phase: Die Grundschüler müssen sich entscheiden, auf welche weiterführende Schule sie wollen. In Beelitz hofft man, dass sich der Einsatz lohnt. Bis zu acht Schulen werden besucht, rund 15 Schüler wirken als Lehrer. Die Grundschüler würden in Absprache mit ihren Lehrern aussuchen, welche Fächer die Gymnasiasten unterrichten sollen, so Fromhold-Treu. Manchmal würden die Junglehrer sogar für sechs Schulstunden gebucht.
Die Sechstklässler in Michendorf genießen es, von Schülern unterrichtet zu werden: „Das ist besser als normaler Unterricht. Da muss man so viel schreiben, hier kann man auch mal riechen“, sagt ein junges Mädchen. Dabei hält sie eine Filmbox nach oben, aus der strömt ein Vanilleduft. An einer Feinschmeckerstation müssen die Kinder mit verbundenen Augen erschmecken, ob sie gerade dunkle Vollmilch, Zartbitter oder Haselnuss auf der Zunge haben. An den anderen Stationen gibt es was zum Schnuppern, Ertasten, Fühlen und Hören. Am Ende dann die obligatorische Frage: „Wer von euch kennt denn das Sally-Bein-Gymnasium und will dorthin?“ Es bleibt still.
Viele der Michendorfer Schüler würden auf Potsdams Schulen gehen wollen, so Grundschulleiterin Corinna Spikermann. Das sei aufgrund der hohen Nachfrage aber nicht leicht. „So bleiben das Michendorfer und Beelitzer Gymnasium und die Oberschule in Wilhelmshorst eine wichtige Option“, sagt Spikermann.
Wie viele Schüler letztendlich mithilfe des Werbeunterrichts nach Beelitz gehen, könne man schlecht ermitteln. Von dem Projekt ist Spikermann dennoch überzeugt: „Die Schule bekommt so ein Gesicht, die Kinder kriegen einen persönlichen Eindruck.“
Nach 45 Minuten Unterricht ziehen Carolin und Marlene ihre roten T-Shirts mit der Projektwerbung aus. Ihren Job haben sie erledigt. Der Spaß am Lehren hat schon viele ihrer Vorgänger zu einem Lehramtsstudium geführt. Für Carolin wäre das nichts und Marlene würde, wenn überhaupt, nur an einer Grundschule unterrichten: „Pubertierende sind zu schwierig.“ Eva Schmid
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