Wildschweinkolonie im Kutenwald: Schweinealarm mitten in Stahnsdorf
40 Frischlinge sind gerade in einem Wäldchen im Ort und in nächster Nähe zur Zille-Grundschule auf die Welt gekommen. Die Bachen sind wachsam. All die Wildschweine zu vertreiben, scheint unmöglich.
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Stahnsdorf - Sie sind noch mal mit dem Schreck davongekommen: Zwei Kinder sind am Sonntag in Stahnsdorf vor einer wütenden Bache auf einen Baum geflüchtet. Der Vorfall war wie berichtet glimpflich ausgegangen, doch die Gefahr im Kutenwald, dem Ort des Geschehens, besteht weiter: Eine komplette Wildschweinrotte mit etwa 50 Tieren hat sich dort eingenistet, wie die PNN von Jagdpächter Peter Hemmerden auf Anfrage erfuhren.
Das Rathaus warnt inzwischen auf stahnsdorf.de eindringlich vor den Gefahren, die von dem kleinen innerörtlichen Wäldchen am Güterfelder Damm ausgehen. Die direkt angrenzende Zille-Grundschule sei schon informiert. „Bis auf Weiteres sollten die Schüler auf ihrem Weg zur Schule die Durchkreuzung des Waldstückes meiden und die öffentlichen Straßen und Wege nutzen“, wie es auf der Gemeindehomepage weiter heißt.
Jagdpächter: "Das hat es noch nicht gegeben"
Dass Stahnsdorf ebenso wie Kleinmachnow ein Wildschweinproblem hat, dass Tiere durch die Orte streifen, ist nicht neu. Neu aber sei die Dimension, sagt der zuständige Jagdpächter Hemmerden. „Immer mal wieder haben wir Bachen, die auch mal innerorts frischen.“ Dass vor wenigen Wochen aber mehrere Muttertiere etwa 40 Frischlinge mitten in Stahnsdorf auf die Welt brachten, das habe es noch nie gegeben.
Die nachtaktiven Tiere, die bis zu 25 Kilometer auf ihren Streifzügen zurücklegen, würden von der Parforceheide aus über den Südwestkirchhof, weiter in die Stahnsdorfer Ortslage, dort in den Kutenwald und die Upstallwiesen bis hin zum Bäketal ziehen. „Vermutlich zufällig hat das Leittier der Rotte den Kutenwald ausgewählt, um dort die Jungen zu bekommen“, so der Jagdpächter. Während der Frischlingszeit führt ein weibliches Leittier mehrere weibliche tragende Wildschweine an. Zur Geburt ihrer Jungtiere bauen sich die Schweine dann unterschlupfartige Nester in der Erde.
Dass das Wild den Menschen immer näher kommt, liege nicht zuletzt am großen Nahrungsangebot, das die Menschen den Tieren bieten, sagt Hemmerden. Nicht nur die Komposthaufen, „sondern auch falsch verstandene Tierliebe“ locke die Schwarzkittel an. Anwohner würden die Schweine offenbar sogar gezielt füttern, vermutet der Jäger. Hemmerden sieht die Gefahr, dass sich das Wäldchen als Geburtsplatz der Allesfresser etabliert.
Die Lösung heißt: abwarten
Um Zusammenstöße zwischen Mensch und Tier wie den vom Wochenende zu vermeiden, würde Hemmerden die Rotte gern aus dem Wald bekommen. Wie das gehen soll, weiß er nicht. „Das ist fast unmöglich.“ Verjage man die Tiere, sei nicht kalkulierbar, wohin sie in ihrer Panik rennen. Rund um das Wäldchen herrscht dichte Bebauung. Grüne Schneisen zur Upstallwiesen und von dort zur Kanalaue gebe es nicht. Womöglich könnten die Tiere in die Gärten oder auf den vielbefahrenen Güterfelder Damm rennen. Zudem: „Wohin soll man sie treiben, wenn sie sich im Kutenwald nun mal wohlfühlen?“
Man könnte die Tiere einfangen und in einem Transporter wegfahren, überlegt der Jäger weiter. Aber wer zahlt für eine so aufwendige Aktion? Und auch das Jagen der Tiere ist tabu: Die Bachen mit ihrem kleinen Nachwuchs stehen unter Schutz und innerorts darf ohnehin nicht geschossen werden.
Die einzige Lösung heißt also abwarten. Und zwar so lange, bis die Tiere von alleine weiterziehen, weil es im Kutenwald für die neuen Bewohner nicht mehr genug Fressen gibt, meint Hemmerden. Doch wann wird das sein? „So eine Situation hatten wir hier noch nie, deshalb ist es auch schwer, Prognosen abzugeben.“ Hemmerden hofft, dass es sich um wenige Wochen handelt. „Aber sie könnten wiederkommen.“
Morgens patrouilliert jetzt das Ordnungsamt
Das bei Stahnsdorfern beliebte Wäldchen, das übrigens neuer Feuerwehrstandort werden soll, ist vorerst tabu, auch wenn weit und breit keine Absperrung oder ein Hinweis auf die Wildschweinkolonie zu sehen ist. Aus dem Rathaus heißt es, Absperrungen seien nicht möglich, da sich die Fläche in Privateigentum befände. „Zuständig für Wald sind Forstbehörde und Jagdpächter“, so Rathaussprecher Stephan Reitzig. Mit Warnschildern habe man ohnehin schlechte Erfahrungen gemacht, das habe solche Situationen verschlimmert und Schaulustige angezogen. Zudem sollten Erwachsene wissen, wie man sich im Wald verhält, so Reitzig.
Sicherheitshalber patrouilliere jetzt morgens das Ordnungsamt um das Wäldchen und kläre Schüler, Anwohner und Spaziergänger auf. Wer trotzdem durch das Wäldchen geht, womöglich noch mit unangeleintem Hund, den könnte es hart treffen. Muttertiere verteidigen ihre Jungtiere energisch, heißt es aus dem Landesjagdverband. Sie können Fußgänger nicht nur umschmeißen, sondern im ungünstigsten Fall auch zubeißen.
Die Jagdexperten warnen vor Geräuschen wie lautem Schnauben und Blasen, mit denen eine Bache auf sich aufmerksam macht. Dann sollte man sich langsam zurückziehen, das Tier ignorieren und ruckartige Bewegungen vermeiden, rät der Landesjagdverband. Auch Jäger Hemmerden empfiehlt, den Tieren mit Respekt zu begegnen und sie nicht zu stören. Panikmache sei aber auch nicht angesagt: „Es sind ja keine Raubtiere, in der Regel tun sie nichts.“ Wildschweine hören und riechen gut, bemerken Spaziergänger früh und halten Abstand, wenn sie nicht – wie womöglich am Sonntag von den zwei Kindern – aufgescheucht werden.
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