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KulTOUR: „Comédie Soleil“ in Werder: Schwester Elisabeth darf alles!

Werder (Havel) - Vorab: Die neue Produktion der Werderaner Theatergruppe „Comédie Soleil“ darf als die bisher beste gelten. Das heißt nicht, dass vorherige Inszenierungen unbedingt schlecht gewesen sein müssen, sie waren nur nicht so überzeugend wie „Ein verrückter Plan“ von Stammautor Julian Tyrasa, der auch diesmal selbst inszenierte.

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Werder (Havel) - Vorab: Die neue Produktion der Werderaner Theatergruppe „Comédie Soleil“ darf als die bisher beste gelten. Das heißt nicht, dass vorherige Inszenierungen unbedingt schlecht gewesen sein müssen, sie waren nur nicht so überzeugend wie „Ein verrückter Plan“ von Stammautor Julian Tyrasa, der auch diesmal selbst inszenierte.

Vorab zum Zweiten: Die Premierenvorstellung am Samstag war ausverkauft, und das nach einer relativ langen Spielpause. Wie geht das zusammen, ein Wunder? Wer in diesen aufgeklärten Zeiten noch an Wunder glaubt, dem werden sie auch geschenkt. Natürlich haben alle daran Anteil, der Autor mit einer Komödie, die eher eine Farce aus Übermut und Ingenium ist, das vierköpfige Team mit gehöriger Spiellaune und vor allem reichlich Untertext, dem Mark einer jeden Inszenierung. Ist ja auch ein Ding, was da in der schäbigen Zelle einer ganz seltsamen Irrenanstalt passiert: Die tyrannische Schwester Elisabeth (Michaela Wrona) hat mit ihrem Elektroschocker alles im Griff, den einzigen Patienten Orlando (Gerhard Gutberlet), aber auch Schwester Anna (Karoline Hugler), liebenswert, nur ein bisschen langsam. Als mit Sprengstoff-Ede (Romeo Riemer) der zweite Patient eingeliefert wird, ändert sich alles. Dieser hatte die Wahl zwischen verschärftem Knast und besagter Anstalt.

Hat Ken Keseys „Einer flog über das Kuckucksnest“ hier Impulse gegeben? Jedenfalls entwickelt dieser Berg von einem Mann, Wollmütze und Augenklappe inklusive, jenen „Verrückten Plan“, den Tyrasa in einer alerten Szenenfolge beschreibt. Eine Uraufführung übrigens. Allein dass die Handlung nicht immer logisch bleibt, machen Stück und Inszenierung richtig sympathisch: Wenn die verbretterte Zelle (Bühne Jens-Uwe Behrend) zu Elisabeths Büro und Liebesnest wird – oder eine Tapetentür, der Weg in die Freiheit, ganz unbeachtet und fast ungenutzt ist.

Spielerischer Umgang mit dem Material also, besser als platter Naturalismus á la „Lindenstraße“. Hier gibt es ein Quartett kraftvoller Typen: Michaela Wrona mit Härte und Stolz, aber wenig geschmeidig, Karoline Hugler (zu infantil) mit dickglasiger Brille, die sie immer wieder auf die Nase schiebt, wie man das von der TV-Serie „Klimbim“ her kennt. Ede ist ein Kraftprotz und Poltrian ad hoc, der sich trotz Spezialbehandlung in „Raum E“ nicht von seinem verrückten Plan abbringen lässt. Zuletzt, wenn alle Hindernisse beseitigt sind, ist er immer noch nicht draußen. Gerhard Gutberlet mit einer Doppelrolle, bei ihm liegt auch das Geheimnis, warum er eingesperrt wurde, und weshalb sein zwillingsgleicher Bruder, der Herr Minister (mit elektrisierenden SM-Gelüsten), öfter in der Anstalt vorbeischaut. Das muss größer inszeniert werden.

Das Spiel zu viert ist flott, stets etwas ausgestellt, eine gut gelungene Farce also mit schönen Einfällen. Man steigert sich. Sogar ein paar Seitenhiebe auf die aktuelle Politik glaubt man herausgehört zu haben – mehr davon, dafür ist das „Ministerlein“ ja doch erfunden worden! Wie es mit ihm dann weiterging, war nur zu hören, die Hinterbühne blieb diskret im überlauten Ton.

Für die Qualität der Textvorlage übrigens spricht auch die Umkehr der Handlung, zuletzt darf Schwester Elisabeth nämlich nicht mehr alles! Hier sollte man noch ein bisschen weiterarbeiten, an der Dienenden, und vielleicht hat Ede da einen Koffer in der Hand, um sich in die Freiheit zu verabschieden? Nun aber Stille, sonst wäre TNT-Edes Plan ja nicht mehr „verrückt“! Gerold Paul

Weitere Vorstellungen bis zum 15. November: samstags, 19.30 Uhr, und sonntags um 17 Uhr

Gerold Paul

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