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KulTOUR: Seelenlandschaften

„Vage Bilder“ von Barbara Raetsch in der Caputher Galerie Am Fährhaus

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Schwielowsee - Ein gutes Jahr gibt es jetzt die Caputher Galerie Am Fährhaus. Nachdem die Ausstellung von Monika Sieveking abgebaut ist, hat sich Galerist Norman Müller für Barbara Raetsch entschieden, er zeigt ja stets, was ihm auch selber gefällt. Es sind Ölbilder aus den letzten fünfzehn Jahren mit faszinierenden Einblicken, doch welcher Art? Man kann sie weder „Stadtlandschaften“ noch Landschaftsbilder nennen, trotzdem ist eines davon jeweils präsent.

Barbara Raetsch fühlte sich Potsdam immer verbunden. Hier hat sie „mit alten Hausfassaden angefangen“, ohne vorderhand an einen politischen Kontext zu denken. Davon gab es ja vor 1989 genug. Ihre Morbidität interessierte sie auch später noch: Fassaden verfallen, zuletzt bleiben nur noch leere Fensterkreuze auf rohem Gemäuer zurück. Aber die Künstlerin gehört nicht zu den Konterfei-Spezialisten, die alles passgerecht darstellen. Aus der Tiefe eines schwarzen Untergrunds leuchtet es rot oder gelb oder weiß, diese Farbsetzung erzeugt dann den erwünschten Effekt. Sie schafft ihre Motive gleichsam wie aus einem Negativ heraus. Die „Realität“ gibt nur den Impuls, den etwas größeren Rest erledigt das Atelier. Vier dieser geheimnisvoll-sakralen Gebilde hat Norman Müller auf der unverputzten Rückwand der Galerie zusammengestellt, Ruhe und Unruh in einem, man kann wählen, ob hier etwas in Auflösung ist, oder im Werden.

Landschaft kam bei Barbara Raetsch erst etwas später hinzu. „Frühe“ Bilder aus den neunziger Jahren zeigen, wie sie das damals sah: Feld und Gehöft zwar noch recht gegenständlich, aber schon etwas „vage“, verschwommen. Arbeiten jüngeren Datums haben dieses Kapitel ihrer Ästhetik fortgeschrieben: Immer weniger Form, immer mehr Ausdruck, oder wie es die Malerin selber sieht: „Vage Bilder mit wenig Inhalt, das Licht faszinierte mich“. Das Licht. Es ist das Edelste, was ein Künstler malen kann. Nun treibt sie es gleichsam auf die Spitze: In „Dämmerung“, „Altweibersommer“ oder „Sonnenaufgang“ gibt es kein Sujet mehr, nur noch Farbe, noch mit Öl ins Diffizilste gebracht. Landschaft „reduziert auf Himmel und Erde“, Grundfarbe Gelb oder Ocker. Die „Realität“ hat sich aufgelöst, nur ihr Ein- oder Abdruck bleibt als Botschaft zurück, wie die schwarzen Kreuze an den morbiden Häuserfassaden, die manchmal fast „wie Friedhof“ aussehen.

Und noch etwas Neues hat sie erdacht. Vier dieser Wunder-Werke strahlen in Rot oder Kadmiumhell. Schaut man genauer, entdeckt man „Parkbilder“ darin. Hier wird quasi die Grundlegung der menschlichen Sehfähigkeit umgekehrt, so, als hätte man eine andere Brille auf oder sei von einem anderen Stern. Sie nennt das Quartett „meine roten Bildchen“.

Verfallene Häuserfronten, leere Fassaden mit tiefschwarzen Kreuzen, Landschaften, die sich in Licht auflösen und nur noch strahlen, Bilder des Parkes in Rot – was malt man denn, wenn nicht sich selbst, sein Inneres, Gemüt und Seelenleben. Es gibt keinen Zwang zum Motiv, wenn er von innen nicht kommt. Am Fährhaus werden Seelenlandschaften ausgestellt, die inneren Farben, das Licht, wie es strahlt, oder strahlen möge, dies gibt dieser Ausstellung ihren besonderen Wert, auch wenn diese Arbeiten nicht jedermann gefällig sein werden. Deshalb sind es auch „vage Bilder“.

Ausstellung bis zum 26. Oktober immer mittwochs von 15 bis 21.30 Uhr sowie samstags und sonntags von 13 bis 19 Uhr.

Gerold Paul

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