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Potsdam-Mittelmark: Segeln ohne Barrieren
Behindertenbeauftragter des Kreises lässt Katamaran für Rollstuhlfahrer bauen
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Potsdam–Mittelmark – Die Gischt spritzt, der Wind bläst in das Segel. „Klar zur Wende?“, ruft der Kapitän. Der Baum des Segelbootes schwingt mit einem Rums auf die andere Seite. Mit einem Schwung gleitet Udo Zeller sicher auf die andere Bootsseite. Dafür gibt er seinem Rollstuhl einen leichten Stoß und rollt los. Die Fahrt kann weitergehen.
Im Rollstuhl sitzen und trotzdem segeln können – das ist der Traum von Udo Zeller. „Auf einem Segelschiff fühle ich mich geborgen“, sagt Zeller. Der 48-Jährige ist der Behindertenbeauftragte des Landkreises Potsdam-Mittelmark und arbeitet seit Jahren daran, sich seinen größten Wunsch zu erfüllen. Im Herbst soll es endlich so weit sein: Dann will er einen sieben Meter langen und fast vier Meter breiten barrierefreien Katamaran in einer Marina in Ferch oder Werder (Havel) zu Wasser lassen. Im kommenden Frühjahr sollen die ersten Tagestouren starten. Derzeit wird das Boot gebaut. „Es ist ein Prototyp“, sagt Zeller. Eine Einzelanfertigung.
Die Konstruktionszeichnungen verraten, wie die Crew aus behinderten und nicht-behinderten Seglern künftig über die Havelseen fahren wird. An den Seiten des Katamarans ist die Reling leicht nach außen gewölbt und geht über die zwei Bootsrümpfe hinaus. Was abenteuerlich klingt, soll Sicherheit bringen. Menschen mit Behinderung haben mit ihrem Rollstuhl in der halbrunden Konstruktion einen sicheren Stand. Erst bei einem Manöver lösen die Rollstuhlsegler ihre Bremsen und gleiten auf die gegenüberliegende Seite des Bootes. Weht der Wind stark und liegt das Schiff schräg, dann muss die gesamte Bootsmannschaft auf einer Seite sitzen, um mit ihrem Gewicht die Schräglage auszugleichen.
Doch so sportlich soll es nicht werden: „Wir wollen nicht auf Anschlag fahren und Schräglage vermeiden“, sagt Zeller. Er will behinderten Menschen aus der Region ermöglichen, von den vielen Seen im Potsdamer Umland zu profitieren. Sicherheit steht dabei an erster Stelle. Jeder wird eine Schwimmweste tragen. „Und wir überlegen auch, ob man an die Rollstühle aufblasbare Kissen anbringt“, sagt Zeller. Im unwahrscheinlichen Fall des Kenterns hätten Crewmitglieder mit Handicap genügend Auftrieb.
Sechs Segler, davon zwei Rollstuhlsegler, können künftig mit dem barrierefreien Katamaran für Tagestouren in See stechen. Eigentlich wollte Zeller einen Boot mit Kajüte – doch ein derartig großer Katamaran hätte den Verein „Saildream1 e.V.“ zu viel gekostet.
Wie hoch letztendlich die Kosten für die kleinere Variante ausfallen, stehe noch nicht fest. Zeller rechnet bisher mit 100 000 Euro. Vor wenigen Wochen übergab Außenminister Frank-Walter Steinmeier im Auftrag der Andreas-Gärtner-Stiftung 5000 Euro. Die Stiftung fördert die Integration von Menschen mit geistiger Behinderung.
Egal ob körperliches oder geistiges Handicap, auf dem Wasser gibt es für alle Glücksmomente: Wenn die Windböen die Haare zerzausen und alle zusammen an großen Kurbeln die Segel ausrichten – das seien Momente, die bleiben im Kopf hängen, so Zeller. Wer segelt, der fühlt sich frei.
Man braucht nur den Mut, sich mit dem Rollstuhl aufs Boot zu trauen. Zeller hatte Glück, sein Vater nahm ihn regelmäßig mit: „Schon mit drei Jahren war ich auf der Jolle unterwegs.“ Später ruderte Zeller in der Mannschaft seiner Fachhochschule mit. „Da war ich anfangs skeptisch, aber die sagten, wenn du Auto fahren kannst, kannst du auch Boot fahren.“ Um seiner Crew so viel Sicherheit wie möglich zu bieten, soll der eigene Rollstuhl mit an Bord. „Der Rolli ist wie ein gutes paar Schuhe – die zieht man auch nur ungerne aus.“ Eva Schmid
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