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Aus dem GERICHTSSAAL: Seifenkiste außer Kontrolle

Vorstand des Beelitzer Badewannenrennen-Vereins auf der Anklagebank

Stand:

Beelitz - Die Stimmung war bestens beim 1. Beelitzer Seifenkistenrennen am 30. April 2006. Kleine Kinder kachelten mit ihren Bobbycars die in der Poststraße errichtete acht Meter lange Rampe hinunter, die Älteren wetteiferten in futuristisch anmutenden Gefährten um die größte Weite. Das Spektakel endete allerdings dramatisch. Eine Seifenkiste geriet ins Schlingern, krachte in die Zuschauermassen, kollidierte mit Carina C.* und ihrer dreijährigen Tochter. Die Mutter erlitt einen offenen Bruch des Schienbeins sowie einen Kreuzbandabriss. Sie musste bisher dreimal operiert werden, war insgesamt sieben Monate krank geschrieben. Im Oktober sollen die stabilisierenden Platten raus. Ob die Verkäuferin das Bein je wieder voll belasten kann, scheint fraglich. Die kleine Clarissa* hatte Glück im Unglück. Ihr Wadenbeinbruch heilte ohne Komplikationen.

Schuld an dem Crash soll laut Staatsanwaltschaft der Vorstand des Beelitzer Badewannenrennen-Vereins sein, der die Strecke nicht ordnungsgemäß gesichert habe. Sie betont das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung. Vereinsvorsitzender Helge S. (41) und sein Stellvertreter Jörg H. (42) bestreiten vor dem Amtsgericht den Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung. Sie beteuern, während der Läufe hätten je drei Vereinsmitglieder als Sicherungsposten links und rechts der Strecke gestanden, darauf geachtet, dass kein Zuschauer durch die herabsausenden Vehikel gefährdet wird. Erst nach dem offiziellen Rennende sei es zu der Unglücksfahrt gekommen. Der Fahrer habe das Mobil ohne Erlaubnis genutzt, dann einem Kind ausweichen müssen, das über die Piste lief.

„Da war kein Kind“, hält Carina C. (30) – sie tritt im Prozess als Nebenklägerin auf – dagegen. „Und das Rennen war noch in vollem Gange.“ Aus ihrer Sicht gab es keine deutliche Grenze zwischen Freifläche und Zuschauern. „Man konnte die Straße ungehindert überqueren.“ Die Beelitzerin glaubt an einen Fahrfehler des Seifenkisten-Piloten. „Er kam die Rampe herunter, zog erst nach rechts, dann nach links und erwischte mich schließlich am Bein. Ich flog gegen einen Papierkorb. Clarissa ging auch zu Boden und brüllte. Ich wollte zu ihr, aber ich konnte nicht mehr aufstehen“, so Carina C.

„Wir als Stadtverwaltung sind tief betroffen, dass eine so schöne Sache mit einem dermaßen schweren Unfall endete“, betont der Beelitzer Bürgermeister Thomas Wardin (53) im Zeugenstand. Dann berichtet er von der „kleinenTradition des Maibaumaufstellens“ und der Idee, das Seifenkistenrennen des Badewannenrennen-Vereins zeitgleich und in örtlicher Nähe zum 5. Maibaumfest, das von der Stadt und dem Gewerbeverein ausgerichtet wurde, stattfinden zu lassen. Besondere Auflagen bezüglich der Sicherheit seien dem Rennverein nicht erteilt worden, so Wardin. Allerdings habe der Vorstand eine Haftpflichtversicherung abschließen müssen. Der Prozess wird am 26. September mit der Vernehmung des Unfallfahrers sowie weiterer Augenzeugen, u. a. dem Vater eines anderen kleinen Mädchens, das glücklicherweise nur leicht verletzt wurde, fortgesetzt. (*Namen geändert.) Hoga

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