
© Björn Stelley
Neujahrsfrühstück in Caputh: Selber machen ist auch Politik
Die Grünen luden zum Neujahrsfrühstück nach Caputh mit der Europaabgeordneten Ska Keller.
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Caputh - Deutschland ist ein Land mit unzähligen Vorschriften. Fremde bekommen das meist zuerst zu spüren, aber auch Deutsche, die scheinbar daran gewöhnt sind, fühlen sich manchmal regelrecht ausgebremst. So erging es auch Frank-Michael Theuer vom neu gegründeten Netzwerk für Flüchtlinge in der Gemeinde Schwielowsee. Der Caputher Pfarrer berichtete am Sonntag beim Neujahrsfrühstück von Bündnis90/Die Grünen im Gildehaus über das ehrenamtliche Hilfsangebot: „Am Anfang war viel Wut und Ärger.“ Vor allem der Standort des Flüchtlingswohnheimes im Gewerbegebiet erschien ihm zu weit weg vom Ort. Doch angesichts überfüllter Turnhallen im Erstaufnahmelager Schwedt, wo Betten dreistöckig aufgestellt werden müssen, um Flüchtlinge unterzubringen, war die Dringlichkeit schnell klar. Fortan ermunterte Theuer seine Mitstreiter, wenn es Probleme gab: „Leute, das kriegen wir schon hin.“ So auch die fehlende Busanbindung zum Flüchtlingswohnheim.
Nachdem der offizielle Dienstweg über das Landratsamt folgenlos blieb, rief ein Mitglied des Netzwerkes selber bei Havelbus an. Dessen Geschäftsführer erklärte sich sofort bereit, die Strecke in den Fahrplan aufzunehmen, auch beim Ticketpreis will er dem Netzwerk entgegenkommen. Bereits im Februar soll ein Bus zum Gewerbegebiet fahren, auch sonntags. „Einfach anfangen und nicht auf die letzte Brandschutzverordnung warten, hat auch etwas mit Politikfähigkeit zu tun“, fasste der Pfarrer die Erfahrungen der letzten Monate zusammen.
Wie es um die aktuelle europäische Flüchtlingspolitik steht, erläuterte Ska Keller, migrationspolitische Sprecherin und stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Europa-Grünen: „Bei den Höhen und Tiefen der europäischen Flüchtlingspolitik gibt es leider mehr Tiefen.“ So werde die Änderung der Dublin-Verordnung vor allem von Deutschland blockiert. Laut dieser Verordnung ist das erste EU-Land, das ein Flüchtling betritt, für dessen Asylverfahren zuständig. Ska Keller: „Hier muss auch auf nationaler Ebene Druck gemacht werden.“ Doch anders als vom Landesverband angekündigt warteten die Abgeordneten aus Brüssel und ihre Parteikollegen nicht mit konkreten Forderungen an die Landesregierung auf. Statt der erwarteten Positionierung kam es deshalb eher zu einem Erfahrungsaustausch mit Berichten engagierter Bürger und Asylbewerber.
Khalil Jibran lebt seit anderthalb Jahren in Deutschland und sah anfangs überall nur Paragrafen. Jetzt kann er anderen Flüchtlingen bereits helfen, berichtete der 26-Jährige, der in Pakistan Verwaltungswirtschaft studiert hat. In Deutschland müsse er ganz von vorn anfangen und will zuerst richtig Deutsch lernen, um ein Studienkolleg zu absolvieren – eine Voraussetzung, um in Deutschland studieren zu können. Vor einigen Tagen sei ihm eine Arbeitserlaubnis erteilt worden, in Aussicht habe er einen Job bei einer Fastfoodkette. Künftig könne er nun Miete und Lebensunterhalt selbst bestreiten. Dass sie nicht gleich arbeiten dürfen, sei für die meisten Flüchtlinge ein großes Problem, sagte Jibran.
Claudia Rashied hat den Freundeskreis zur Unterstützung der Teltower Asylbewerber ins Leben gerufen und organisiert Deutschkurse, Ausflüge und andere Aktivitäten. Unter ihnen seien Mechaniker, Lehrer und Gastronomen. „Da bleibt viel Potenzial ungenutzt“, sagte Rashied. Das wenige Geld reiche oft kaum zum Notwendigsten, wie warme Kleidung, die deswegen dringend gebraucht werde, so Rashied. Kirsten Graulich
Kirsten Graulich
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