Potsdam-Mittelmark: Senioren dürfen erstmal meckern
Bei einer Zukunftswerkstatt sollen älterere Teltower ihre Bedürfnisse formulieren und sich besser vernetzen
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Teltow - Die Teltower Politiker treibt die Frage schon länger um: Wie soll man mit dem demografischen Wandel, der Überalterung der Gesellschaft umgehen? Bis zum Jahr 2030 wird der Bevölkerungsanteil der über 60-Jährigen auf 30 Prozent steigen. Schon heute leben in der Stadt 6 000 Senioren.
„Uns interessiert, wie die Teltower im Alter leben wollen, welche Bedürfnisse sie haben“, sagt Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD). Die Antwort könnten die Betroffenen am besten selbst geben, ist er überzeugt. Bei einer Zukunftswerkstatt „Älter werden in Teltow“ sollen sie am 25. November ab 9 Uhr im Rathaus nicht nur zu Wort kommen, sondern sich auch selbst organisieren. „Ein erster Versuch, einen Seniorenbeirat zu initiieren ist leider gescheitert – mangels Interesse“, so Schmidt.
Vielleicht sei aber nur der Ansatz falsch gewesen, das Gremium über die Verwaltung ins Leben zu rufen. „Zuviel Service der Stadt lässt die Leute passiv werden“, sagt der Politologe Gerd Wermerskirch, der zusammen mit seiner Kollegin Kristina Nauditt den Workshop moderieren wird. Und entgegen Schmidts Erfahrung mit dem Seniorenbeirat scheint der Bedarf groß zu sein: Etwa 80 Teilnehmer haben sich bislang für die Veranstaltung angemeldet. Die sollen zu Beginn der Werkstatt erst einmal richtig meckern dürfen, sagen, was ihnen an Infrastruktur aber auch an sozialen Kontakten in der Stadt fehlt. Vorträge von Experten soll es bei der Zukunftswerkstatt nicht geben, das Prinzip der beiden Moderatoren setzt auf die Eigeninitiative der Teilnehmer. „Unter denen findet sich genug Kompetenz“, sagt Wermerskirch. Viele hätten schon im Berufsleben große Projekte organisiert und für die Nachteile des Alterns sei jeder sensibel, der selbst älter werde.
Auch deshalb sollen sich die Senioren, quasi zum Aufwärmen, ihre Geschichten erzählen. In der Altersgruppe der über 60-Jährigen gebe es in Teltow noch deutliche Unterschiede in der Sozialisation, die Neu-Zugezogenen und diejenigen, die schon vor der Wende hier gelebt haben, hätten oft unterschiedliche Perspektiven auf dieselben Probleme, so Schmidt. Die Zugezogenen engagierten sich oft stärker, weil sie sich in der neuen Stadt erst noch integrieren müssten. Altersarmut sei derzeit noch kein brisantes Thema in Teltow, doch das könne sich infolge der veränderten Arbeitsstruktur und des demografischen Wandels in den kommenden 30 Jahren ändern, so Schmidt.
Integration auch von sozial eher isolierten Senioren ist demzufolge auch eines der erklärten Ziele der Vorbereitungsgruppe, die zusammen mit Nauditt und Wermerskirch die Werkstatt vorbereitet. Brücken schlagen in die Gesellschaft, Teilhabe schaffen, das stehe für die Teltower Senioren klar im Vordergrund.
Die beiden Moderatoren veranstalten solche Zukunftswerkstätten bereits seit zehn Jahren, oft aber habe es in den Kommunen einen konkreten Bedarf gegeben. „In Rheinsberg etwa gab es 2003 mehrere Brandanschläge auf Döner-Imbisse, für eine Gruppe Senioren war das ein Impuls, sich zu vernetzen und zu engagieren“, so Wermerskirch. In Teltow sei man thematisch freier. Klar sei aber schon jetzt, die Verwaltung werde hinterher mehr zu tun haben. Auch Schmidt betont, dass es keinerlei inhaltliche Vorgaben seitens der Stadt gibt. „Nur weil wir uns das wünschen, muss natürlich kein Seniorenbeirat herauskommen“, erklärt er. Sollte sich in Folge der Zukunftswerkstatt aber ein Beirat bilden, hätte er laut Brandenburgischer Kommunalverfassung ein Mitspracherecht in den politischen Gremien der Stadt, so Schmidt.
Was sich am Ende aus dem Workshop entwickle, liege aber allein in der Hand der Senioren, betont Wermerskirch. Oft seien es eher kleine Dinge, die die Lebensqualität verbessern – zum Beispiel Fahrgemeinschaften um Theater und Konzerte in Berlin zu besuchen.
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