
© Andreas Klaer
Potsdam-Mittelmark: Showdown am Ortsrand
Warum in Geltow um 30 Quadratmeter Ackerland gestritten wird
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Schwielowsee - Gestern am Rande von Geltow: Ein mit Recyclingmaterial beladener Lkw will in der Feldflur auf eine Nebenstraße, eine 600 Meter lange Firmenzufahrt, abbiegen. In der engen Kurve steht ein Auto. „Fahr da mal wech mit deinem Opel“, ruft der Lkw-Fahrer aus dem Fenster. Der Opelfahrer denkt nicht daran. Es handelt sich um Ralf-Peter Behm, und was der Lkw-Fahrer dort macht, verletzt seine Eigentumsrechte, wie der untersetzte Geltower meint.
Es ist tatsächlich so: Die Schleppkurve der verlängerten Wildparkstraße gehört Behm. Und Eigentum ist ein hohes Gut in diesem Land. Behm kämpft darum auf juristischem Wege. Nur wenige Stunden zuvor hat er im Potsdamer Landgericht gesessen und die Situation dargelegt. Die Kurve gibt er nicht her, einen Vergleich lehnt er ab. Dem Richter erklärt er, dass er das Eckchen, das von den Schwerlastern der Recyclingfirma Richter zum Abbiegen benötigt wird, nicht verkaufen wird. Auch wenn es sich nur um 30 Quadratmeter seiner 50 Hektar Ackerland handelt. Und selbst wenn er dafür von der Firma 1000 Euro bekäme. Oder 5000 Euro. „Nein, ich werde nicht verkaufen.“
Dem Richter wäre der Vergleich lieber gewesen, man sieht es ihm an. Jetzt muss er zur Klage Behms und zwei weiterer Geltower entscheiden, die sich durch die Schleppkurve und die Straßennutzung in ihren Eigentumsrechten verletzt sehen. Das Urteil wird in drei bis vier Wochen erwartet. Schon gestern ist klar, dass es unangenehm ausfallen wird für die Firma.
Die Vorgeschichte ist vertrackt. Der Firmenstandort am Ortsrand ist wegen des Lärm und Staubes in der Nachbarschaft umstritten, allerdings gab es hier schon vor der Wende einen LPG-Kuhstall und danach ein Bauschuttunternehmen. Die jetzt ansässige Recyclingfirma gehört Jens Bahnemann. Er beruft sich in dem Streit um seine Zufahrt auf das Straßenkataster der Gemeinde aus dem Jahr 2000. Dort sei die verlängerte Wildparkstraße verzeichnet, also dürfe er sie auch nutzen. Als bekannt wurde, dass die Betonplattenpiste parallel zum Gemeindeflurstück in ganzer Länge auf privatem Grund lag, sei sie im Sommer letzten Jahres verlegt worden. Jetzt befinde sie sich auf Gemeindeland.
Nur die Schleppkurve nicht, die brauche er aber für seine großen Lastkraftwagen. Und Behm wolle nicht verkaufen, selbst den Tausch gegen 1000 Quadratmeter Ackerland habe er abgelehnt. Der Richter macht mehrfach deutlich, dass es so nicht geht. Bahnemann müsse „uneingeschränkt und unbedingt“ erklären, nicht mehr über private Teile des Weges zu fahren. Nur den Plattenweg umzuverlegen, das reiche nicht aus.
Selbst an der Rechtmäßigkeit der Widmung lässt das Gericht Zweifel aufkommen. Nur ein Netzknoten, Bahnemanns Firmenstandort, sei von der Gemeinde benannt worden, aber nicht, über welche Flurstücke die Straße genau verläuft. Sind private Eigner von einer Widmung betroffen, müssten sie einbezogen werden. Das sei nicht erkennbar, so der Richter. Vermessen wurde bis heute nicht.
Wie lange es die Straße gibt, ob sie früher Feldweg war oder von LPG-Lastern genutzt wurde, die Gewohnheitsrechte also sind umstritten. Was die Schleppkurve angeht, ist das ohnehin egal. Sie gehört Ralf-Peter Behm, so sieht es auch das Landgericht. Behm wird von einer Bürgerinitiative unterstützt, die gegen den Firmenstandort am ruhigen Ortsrand kämpft.
Ohne Kurve fehlt der Recyclingfirma die Zufahrt. Und damit die Möglichkeit, sich zu erweitern. Der Bauantrag dafür ist ohne gesicherte Zufahrt völlig aussichtslos. Ralf-Peter Behm weiß das, als er gestern mit seinem Opel in der Kurve steht. Irgendwann fährt er weg. Der Rechtsstreit wird anders ausgehen. Henry Klix
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