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Potsdam-Mittelmark: Sich stark tanzen

Mädchen lernen Caipoeira – eine vielseitige Schule

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Teltow - Zuerst ist es ein Tanz, bei dem die Hände wechselweise das Gesicht verbergen, dann drehen sich die Tanzenden im Kreis. Der Rhythmus wird mit dem Berimbau vorgegeben, einem Musikbogen, der aus einem Holzstab, einer Metallsaite und einem runden Klangkörper besteht. Zunehmend wird aus dem Tanz ein Spiel und so richtig Spaß haben die Tänzerinnen als jede ein Tier verkörpern darf. Katzenhaft schleichen sie umeinander, schlängeln sich über den Boden oder hüpfen kichernd zwischen den anderen umher.

Bei Capoeira, einer brasilinischen Kampfkunst, bestimmt der Moment, was Tanz, Spiel oder Kampf ist. Vorerst gibt das aber noch Trainerin Juliane Kubicki vor – jedenfalls war das so zur Aufführung der beiden Mädchengruppen vor wenigen Tagen in der Teltower Stubenrauch-Grundschule. Seit April trainiert Kubicki zwei Mädchengruppen mit 9- und 10-Jährigen beider städtischer Grundschulen. Die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung und der Sporthersteller Nike fördern das Projekt, das noch bis Ende nächsten Jahres läuft. Im Rahmen des Programms „MädchenStärken“ hatte sich die Teltower Mädchenzukunftswerkstatt für dieses Projekt beworben. „Ich bin begeistert von euren Fortschritten“, freute sich nach der Aufführung die SPD-Bundestagsabgeordnete Andrea Wicklein, die das Projekt als Patin unterstützt. Frauen müssen heute noch immer kämpfen, meinte sie, weshalb man schon frühzeitig eigene Stärken entwickeln sollte. Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD), ebenfalls Projekt-Pate, stellte den Mädchen in Aussicht, ihr Können bald in der polnischen Partnerstadt Zagan vorstellen zu können. Denn auch dort gibt es eine Capoeira-Gruppe, die sich bereits auf einen Austausch mit den Teltowern freut.

Obwohl es um Koordinationsfähigkeit geht, was gute Konstitution voraussetzt, ist Capoeira kein reiner Sport, sondern mehr ein Kampftanz mit unverkennbaren Einflüssen von Jiu-Jitsu und Wushu. Es gibt Drehtritte, eingesprungene Tritte und viel Akrobatik. Die Spieler sind in ständiger Bewegung, wozu auch Kopfstand und Radschlagen zählt, denn es geht darum, kein leicht zu treffendes Ziel zu sein. Eigentlich wird ein körperlicher Dialog geführt, zu dem die traditionelle Musik in einem Endlosrhythmus gespielt wird. Ursprünglich diente das Kampftraining, entwickelt von afrikanischen Sklaven in Brasilien, einer neuen Identitätsfindung und der körperlichen Befähigung zur Flucht. Die als Tanz getarnte Selbstverteidigung basiert auch auf der Beobachtung von Tieren, um sich so beispielsweise der List einer Schlange bedienen zu können. Mit dem inneren Tier, das die Mädchen rauslassen, erleben sie aber auch ein Körpergefühl, das ihnen Lust auf Bewegung macht. Damit begegnet das Prokjekt einem großen Problem: Bewegungsmangel. Ärzte schlagen schon seit längerem Alarm, dass die motorischen Fähigkeiten von Kindern immer mehr abnehmen, Haltungsfehler dagegen zunehmen würden. Anreiz zu mehr Bewegung führt dagegen zu größerem Selbstbewusstsein. Stolz erzählt eines der Capoeira-Mädchen, dass sie nun endlich ein Rad schlagen und fast schon einen Handstand kann. Ein anderes Mädchen erklärt, dass sie in der Gruppe trainiere, „weil man da lernt, sich zu wehren!“ Kirsten Graulich

Kirsten Graulich

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