Potsdam-Mittelmark: Sie will nur unter Menschen sein Edith Siegel wurde für ihre Seniorenarbeit geehrt
Kleinmachnow - „Wieder etwas mehr unter Menschen zu sein“, das wünschte sich Edith Siegel, nachdem sie alle Bücher gelesen hatte, für die zuvor zu wenig Zeit geblieben. Dabei hatte sich die ehemalige Lehrerin darauf gefreut, nach ihrer Pensionierung endlich alles durchschmökern zu können, was an ungelesener Lektüre seit Jahren bei ihr zu Hause im Regal stand.
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Kleinmachnow - „Wieder etwas mehr unter Menschen zu sein“, das wünschte sich Edith Siegel, nachdem sie alle Bücher gelesen hatte, für die zuvor zu wenig Zeit geblieben. Dabei hatte sich die ehemalige Lehrerin darauf gefreut, nach ihrer Pensionierung endlich alles durchschmökern zu können, was an ungelesener Lektüre seit Jahren bei ihr zu Hause im Regal stand. Doch nach einem Vierteljahr vermisste sie die Gespräche mit anderen. Also bot sie der neuen AWO-Sozialstation im Steinweg an, ältere Damen beim spazieren gehen zu begleiten. Probeweise, für ein Jahr, wollte sie Senioren betreuen, daraus sind inzwischen 14 Jahre geworden. Kürzlich erhielt Edith Siegel für ihr ehrenamtliches Engagement eine Auszeichnung von Landrat Lothar Koch. Gefreut hat sich darüber auch Edith Lowack, die Chefin des AWO-Ortsvereins: „Edith Siegel kann wunderbar auf Senioren eingehen und der Donnerstag-Treff, den sie betreut, ist im Ort bereits eine Institution.“ Edith Siegel ist die Verlegenheit anzumerken, bescheiden wehrt sie deshalb im Gespräch mit den Händen ab. Als es kurz darauf an der Tür der Sozialstation klingelt, nutzt sie die Gelegenheit, sich der Situation zu entziehen und eilt davon, um zu öffnen. Dort wird sie von einer temperamentvollen Dame herzlich begrüßt, die sie hat kommen sehen und nur mal schnell Guten Tag sagen will. Die Frau wohnt im Senioren-Wohnblock am August-Bebel-Platz, in dem auch seit einiger Zeit die Sozialstation beheimatet ist. Forschend schaut sie in den Raum und vergewissert sich: „Heute ist aber Mittwoch?“ Als sie erfährt, am nächsten Tag sei ganz gewiss wieder Seniorentreffen, ist sie erleichtert, weil ja noch ein Friseurtermin auf ihrem Kalender stehe und nachmittags die Tochter komme. Der Donnerstag, erzählt Edith Siegel anschließend, sei nämlich der wichtigste Wochentag für etwa 25 Senioren, die regelmäßig zum Nachmittagstreff kommen. Alles werde von den Senioren um diesen Tag herum geplant, sogar Arzttermine so arrangiert, dass sie keinesfalls auf den Donnerstag fallen. „Höchstens vormittags wird noch ein Friseurtermin eingeplant, um nachmittags mit den anderen schön rausgeputzt am Kaffeetisch sitzen zu können.“ Ein Bus bringt alle zum Treffen und wieder nach Hause zurück. „Denn die zu uns kommen, können keine Stufen mehr überwinden, aber sie möchten gern noch mit anderen kommunizieren.“ Sitztänze gehören zum Standardprogramm, vor allem bei Musik von Udo Jürgens. Geschätzt werden auch Diavorträge, Lesungen oder Informationen zum Thema Gesundheit. Manchmal kommt Bürgermeister Wolfgang Blasig vorbei, um über Vorhaben im Ort zu berichten. Höhepunkte sind auch Geburtstage. Die älteste aus der Gruppe feierte bereits ihren 102. Geburtstag. Die 80-Jährigen zählen in der Gruppe noch zu den Jüngeren, erzählt Edith Siegel schmunzelnd. Sie selbst ist mit 74 noch fit, fährt meist mit dem Rad, wenn sie Hausbesuche macht. Aber die Kontakte zu pflegen, sei auch anstrengend: nachzufragen, wenn jemand fehlt, sich nicht meldet. „Dann gehe ich los und schaue nach, auch in den umliegenden Krankenhäusern“, sagt sie. Einmal im Monat fährt die Gruppe mit dem Bus zum gemeinsamen Essen in ein Restaurant. Mittlerweile wird es schwer, eins in der Nähe zu finden, das sie noch nicht kennen und das auch für Rollstuhlfahrer geeignet ist. Erfahren haben sie dabei auch, dass man die Gruppe lieber in Nischen platziert, abseits von anderen Gästen. „Wir registrieren das, aber der guten Laune tut es keinen Abbruch.“ Und wenn ihr einige dann sagen, es sei wieder ein schöner Tag gewesen, ist das für Edith Siegel Ansporn weiterzumachen. Kirsten Graulich
Kirsten Graulich
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