KulTOUR: Sieben auf einen Streich
Neuausgabe des jährlichen Heimatmagazins vom Teltower Land ist da – es ist nicht nur dem 300. Geburtstag Friedrich II. gewidmet
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Teltow - König Friedrich II. hat zwar „die Tartuffel“ nachweislich gar nicht in Preußen eingeführt, trotzdem wirft sein 300. Geburtstag im Januar schon mal lange Schatten. Sie haben auch Mahlow erreicht, Sitz des Zenkert-Verlages. Seit 2008 bringt das Einmann-Unternehmen jedes Jahr ein richtig gutes „Heimat-Magazin“ hervor, viel zu bescheiden „Lesebuch“ benannt. Seine Autoren schätzen Gegenwart und Vergangenheit gleich hoch, erzählen Geschichte in Geschichten aus dem Teltower Land in gut lesbarer Form, fügen hier und da eine Schnurre ein, wie diesmal jene vom Kobold in Klein Machnows Wassermühle oder den ungelösten XY-Fall von Teltow anno 1746 – bis wieder so ein Sammelstück entsteht.
Und fast alleweg dabei der mehr oder weniger Alte Fritz, auch mit der Tartuffel! So erfährt man in dem wahrhaft historischen Artikel von 1913, dass Friedrich dem Dorf Schöneberg (heute Berlin) mit der Jahreszahl 1764 eine Kirche gebaut habe, weil die alte vier Jahre zuvor von den Alliierten gebrandschatzt wurde. Auch der Zehlendorfer ging es 1760 so. Fridericus, der zweimal die Woche zwischen Berlin und Potsdam pendelte, dauerte der Flecken, er stiftete wieder.
Nicht so gut hatten es die Leute aus Philippstal. Nachdem der bekrönte Patron dem von ihm gegründeten Kolonistendorf um 1760 auch ein Schul- und Bethaus eingerichtet hatte, gab es bei der Renovierung 1832 Streit ums liebe Geld. Nachdem sämtliche Instanzen angerufen waren, mussten die Dörfler ab 1845 neben den Baukosten auch noch die horrenden Gerichtskosten abstottern. Ach, wären sie doch zum Kirchgang nur weiterhin nach Saarmund gelaufen! Erst 1904 bekamen sie die heutige „Kapelle“.
Natürlich achtet der von Jugend an geschichtsinteressierte Herausgeber in seinem „Heimat-Magazin 2012“ darauf, dass es darin nicht nur „frizzelt“ und „kirchelt“. So liest man vom Fahlhorster Heukrieg 1783, von einem Teltower See nebst Kurhaus, die dann mit dem Teltowkanal verschwanden, oder davon, dass während des 30-jährigen Krieges „catholische Reitter“ aus Bayern bei Mittenwalde Jagd auf protestantische Pfarrer machten. Einer versprach seinem bajuwarischen Beichtvater, gleich deren sieben zu erschlagen, drei oder vier hatte der fromme Mann schon.
Aus der Serie um die königlichen Landräte des Teltowschen Kreise geht es diesmal um Leo von dem Knesebeck, man blättert in den „Arensdorffschen Pfarr- und Kirchennachrichten“ oder in der Chronik der Teltower Stadtschule, hört Ungehörtes vom Dorfkrug zu Schönow. Seit Anbeginn betreibt Zenkerts „Lesebuch“ ja still und heimlich den Wiederanschluss von Südberlin an das alte Teltower Land, dessen Nordgrenze einst der Berliner Landwehrkanal bildete, im Westen der Grunewald. Das geht auch ohne Fridericus.
Aus dem 19. Jahrhundert stammt die Geschichte Johannas von Scharnhorst in Siethen und jene vom Postrat Pistor, der mit dem Aufbau einer optischen Telegrafenlinie von Berlin über den Teltow bis zum Rhein beauftragt wurde. Das 20. kann unter anderem mit Informationen zum Reichsbahn-Neubaulager Stahnsdorf und der Linie 96 (O) aufwarten, die von 1949 bis 1961 den grenznahen Straßenbahnverkehr zwischen Machnower Schleuse und Teltow-Seehof übernahm. Man staunt jedes Jahr neu, wie randvoll dieser winzige Fleck Erde an Substanz, Gesichtern und Geschichten ist. Mit und ohne Tartuffeln: einfach unerschöpflich!Gerold Paul
Heimat-Magazin 2012 „Das Teltower Land. Ein Lesebuch“, Zenkert-Verl., 12 Euro
Gerold Paul
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