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KulTOUR: Sieben Sünden und Tugenden

Neue Musiktheaterproduktion der Kreismusikschule an einem höllisch spirituellen Ort – im Heizhaus

Stand:

Kleinmachnow - Schnaufend kraxelt eine Wandergruppe auf einen Hügel aus Pappkartons und gemeinschaftlich erklimmt der Trupp danach mit Seilen den höchsten Gipfel-Karton. Oben angekommen, verkündet einer aus der Seilschaft: „Mir allein gebührt der Ruhm!“ Da Hochmut, sprichwörtlich gesehen, vor dem Fallen kommt, stoßen ihn die anderen empört hinunter, um hernach scheinheilig um den Verstoßenen zu trauern.

Hochmut ist eines von sieben Lastern aus dem Sündenkatalog, den einst Papst Gregor I. festlegte. Aufgelistet werden darin auch Neid, Habsucht, Wolllust, Völlerei, Zorn und Trägheit – allesamt Dämonen, die Gläubigen fortan als Abgrund galten und denen ohne Buße die Hölle folgte. Entsprechend derartiger theologischer Konsequenzen erscheint der Ort gut gewählt, an dem die neueste Aufführung mit dem Titel „Sieben“ des Musiktheaterensembles „Imagno“ der Kreismusikmusikschule über die Bühne geht. Zwar lodert kein Feuer mehr im Heizungskeller auf dem Seeberg, aber alte Wasserflecken an Decke und Wänden, verrostete Rohre und ein großes Eisengitter lassen eine Brise von Endzeitstimmung durch die Hallen ziehen. Die ideale Kulisse, um Geschichten über die Misere der Menschen vorzuführen. Da wird ein Sandhaufen vor einer rostigen Rippenheizung mit Sonnenschirm, Liegestuhl und aufblasbarem Planschbecken zum Südseetraum. Die schäbige Augenweide wirkt absurd und das Bröcklige kratzt zuweilen am Gemüt. Beinahe imaginär ertönen dazu aus dem Dämmerlicht Beethoven und Bach, gespielt vom Musikensemble unter Leitung von Martin Aust. Grotesk auch eine Talkshow-Szene, in der Sprüche geklopft werden und alle gleichzeitig über die jeweiligen Fehler der anderen reden.

Doch die Kritik im Stück sei immer augenzwinkernd, betont Regisseurin Juliane Stephan, weil ja alle irgendwie in den großen und kleinen Sündenverstrickungen drin stecken würden. „Beispielsweise ist Neid so eine Sünde, die jeder von uns kennt.“. Daher sei Wiedererkennen eigener Schwächen und Eitelkeiten durchaus beabsichtigt, aber gepiesackt werde nur so, dass auch noch darüber gelacht werden könne. Auf das Thema habe sie ursprünglich das Buch „Arche Noah Touristenklasse“ von Ephraim Kishon gebracht. Und weil die Kirchensystematik neben den sieben Todsünden gleichfalls den Gegenpol der sieben Tugenden erfasst hat, lag es nahe, die mystische Zahl „7“ einzubeziehen. Die spielt in Märchen eine große Rolle und so huschen in der musikalischen Szenenfolge nicht nur sieben schwarze Raben vorbei. Auch sieben Zwerge streifen in roten Zipfelmützen vorbei – im Dämmerlicht sieben kleinen Teufelchen sehr ähnlich. Dass sich das Lauterste oft verzerrt, ist gängige menschliche Norm und so gerät auch das glockenreine „Ave Maria“ durch die im Hintergrund scheinheilig-clownesk agierende Spielerriege in amüsante Schieflage.

Alle zehn Darsteller haben in die Szenen ihre eigenen Erfahrungen eingebracht und am Text mitgeschrieben. Das Stück kommt mit nur wenigen mobilen Requisiten aus und einigen sehr gekonnt eingesetzten grafischen Effekten. Letztere stammen von der Berliner Grafikerin Eva Kretschmer, die auch die symbolische Sieben fürs Faltblatt zeichnete.

Kirsten Graulich

Die heutige Premiere des Stücks ist bereits ausverkauft. Karten gibt es noch für die Vorstellungen am 2., 3., 4. und 5. Mai. Beginn ist jeweils 19 Uhr im Heizhaus

Kirsten Graulich

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