DasWAR“S: Smoke und Klischees
Ein journalistischer Selbstversuch von Peter Könnicke
Stand:
In dem Film „Thank you for smoking“ macht Nick Naylor erfolgreich Lobby-Arbeit für die Tabakindustrie. Er scheut kein Wortgefecht und überzeugt mit absurden Argumenten – bis ihn eine Journalistin entlarvt. Ihm nahe zu kommen, war leicht: Sie verführt ihn.
Was für ein Klischee! Als müssten Reporter nur laziv mit den Augenlidern klappern, sexy die Hüfte rausdrehen und bums – es sprudeln die Informationen.
Nun gibt es ja eine Menge journalistischer Selbstversuche: Wenn man beschreiben will, wie es sich beim Bungee-Jumping anfühlt, springt man eben. Beim Internationalen Tag der Blinden sind schon unzählige Reporter mit verbundenen Augen durch Einkaufspassagen gestolpert, um zu erleben wie es ist, nichts zu sehen. Wer berichten will, wie lang 42 Kilometer sind, läuft halt einen Marathon. Ich konnte mich bei der DEKRA mal kostenlos besaufen, um herauszufinden, nach wie viel Korn und Bier ich fahruntauglich bin. Ich war breit wie“n Amtmann. Aber Sex als Recherchemittel?
Seit einiger Zeit gehe ich dem Gerücht eines Immobilienskandals in Kleinmachnow nach. Angeblich wollte jemand ein riesiges Baugrundstück kaufen, sei aber mit unsauberen Mitteln aus dem Geschäft gedrängt worden. Also begann ich, Fragen zu stellen. Ich rief bei Bau- und Immobilienfirmen an, befragte Politiker und hatte geheime Treffen. Manche wollten nichts sagen, andere konnten nicht. Ich bat um Rückruf vermeintlich Betroffener, verlangte energisch, zuständige Mitarbeiter zu sprechen, forderte kompetente Ansprechpartner – und stieß auf verdächtiges Schweigen. Vorsichtige Andeutungen, ja. Auch skurile Vermutungen und vage Hinweise, aber nichts Konkretes.
Ich fuhr in die Firma, die in den Filz verstrickt sein soll und verlangte nach dem Geschäftsführer. Er sei nicht da, meinte die Sekretärin. Spätestens jetzt war es Zeit, den Tatsachengehalt des Klischees zu überprüfen. Ich habe mich charmant und lobend über ihre Diskretion geäußert, mich nach ihrem Feierabend erkundigt und sie zum Essen eingeladen. Sie ließ mich pikiert abblitzen und drohte mit dem Wachschutz. Ich blieb hartnäckig und traf mich drei Tage später mit ihr in einem Café. So weit das Klischee.
Die Realität sieht anders aus! Kleinmachnow hat keine Immobilienaffäre. Und ich hab mich im Rahmen eines journalistischen Selbstversuches nie mit einer Sekretärin getroffen. Aber man kann ja mal drüber nachdenken – genauso, wie im Film „Thank you for smoking“ über Zigaretten geredet, aber nicht einmal geraucht wird.
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