Potsdam-Mittelmark: „So buchstabiert man Demokratie“
Im Herbst werden auch neue Ortsbeiräte gewählt – deren Arbeit ist nicht leicht, aber von wenig Einfluss
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Stahnsdorf/Teltow - „Dolle sinnvoll ist es nicht!“ Das Urteil von Angelika Enke sagt viel über den Sinn und vor allem den Einfluss von Ortsbeiräten. Die Sozialdemokratin sitzt mit vier weiteren Güterfeldern in dem kleinsten demokratisch gewählten kommunalpolitischen Gremium. Fünf Jahre, einmal im Monat hat der Beirat getagt – und wenn sich die Fünf ihre 10 Euro Sitzungsgeld mit Kartenlegen verdient hätten, hätte das kaum einer bemerkt.
Ortsteile galten als Zugeständnis, um das Verlustgefühl zu minimieren, als vor sechs Jahren im Zug der märkischen Gemeindegebietsreform aus bis dahin eigenständigen Gemeinden Ortsteile größerer Kommunen wurden. So wurden zum Beispiel Güterfelde, Schenkenhorst und Sputendorf nach Stahnsdorf eingegliedert. Ein Mindestmaß an Mitbestimmung sollte durch die Ortsbeiräte gewahrt bleiben. Die Realität sieht etwas anders aus: Das erste Glied in der parlamentarischen Hierarchie, das an der Basis, ist das schwächste. Zwar stattet die Kommunalverfassung Ortsbeiräte mit dem Recht aus, bei wichtigen Entscheidungen angehört zu werden, auch Vorschläge und Empfehlungen können gemacht werden. Der tatsächliche Einfluss auf Entscheidungen der Stadt- und Gemeindeparlamente ist gering. Angelika Enke hat da keine Illusionen: „Viel bewegen kann man nicht.“
Güterfeldes Ortsbürgermeister Dietrich Huckshold sieht das ähnlich. „Wunder kann man nicht vollbringen, aber Kleinigkeiten schon.“ Der Ortsbeirat hätte gemacht, was er machen konnte. Mit der Bilanz ist Huckshold recht zufrieden: „Wir haben ordentliche Straßen, Rad- und Gehwege, der Güterfelder See ist saniert und die kommunalen Häuser sind in Ordnung.“ In den vergangenen fünf Jahren hat Huckshold die Spielregeln gelernt, nach denen sich die Interessen der kleinen Orte durchsetzen lassen. „Entweder man erarbeitet sich Mehrheiten in der Gemeindevertretung. Oder man überzeugt die Verwaltung, aus dem Anliegen eines Ortsteils eine Beschlussvorlage zu machen.“ Dass eine Empfehlung des Ortsbeirats auch die spätere parlamentarische Zustimmung findet, wäre der Idealfall. Es wäre Demokratie in Vollendung gewesen, wäre die Stahnsdorfer Gemeindevertretung ausgerechnet beim brisanten Votum zur Nordumfahrung Güterfelde der Empfehlung des Ortsbeirats gefolgt: Der war gegen die umstrittene Ortsumgehung, mit deutlicher Mehrheit die Gemeindevertretung dafür. „Natürlich war ich enttäuscht“, sagt Huckshold. „Aber so buchstabiert man Demokratie.“
Und dennoch: Wenn Ende September neue Kommunalparlamente gewählt werden, stehen auch neue Ortsbeiräte zur Wahl. In Güterfelde wollen Enke und Huckshold wieder kandidieren. Aus ihrem Motiv macht Enke kein Hehl. „Es ist gut dabei zu sein, um Interna zu erfahren.“ Und für Huckshold, der Güterfelde schon in Zeiten der Eigenständigkeit als Bürgermeister regierte, ist es nahezu Pflicht, sich zur Wahl zu stellen. „Gesund bin, Zeit hab ich auch“, sagt er.
Durchaus weiterreichende Kompetenzen sieht der Ruhlsdorfer Ortsbürgermeister Berndt Längrich für seinen Ortsbeirat. Zwar sei der Einfluss „natürlich“ gering, aber übergangen wurden die Ruhlsdorfer noch nie, meint Längrich. „Wir wurden immer gefragt und konnten unsere Meinung abgeben.“ Neben seinem Amt als Ruhlsdorfer Ortschef ist Längrich gleichzeitig Fraktionsvorsitzender der SPD im Teltower Stadtparlament. Aus dieser einflussreichen Position fällt es ihm leichter, die Interessen seines Ortsteils zu vertreten. Schwer hat es, wer keinen Platz in der Gemeindevertretersitzung hat, wie der Sputendorfer Ortsbürgermeister Klaus-Peter Schöttler (Wir Vier). Er darf maximal sein Rederecht einfordern und – wie jeder andere Bürger auch – zuhören.
Auch Karin Steingräber (Wir Vier) sieht ihren Aktionsradius als Schenkenhorster Ortsbürgermeisterin eng bemessen: „Wir müssen uns um alles kümmern und tragen die Probleme dann nur weiter“ Entschieden wird im Stahnsdorfer Ratssaal. Der politischen Lohn für so viel Aufwand ist gering, beklagt Steingräber. Deshalb plädiert sie dafür, Ortsbürgermeistern zumindest ein Stimmrecht in der Gemeindevertretung zu gewähren. Dann könnten sie sich mit mehr Effizienz für die Belange der Ortsteile einsetzen.
Trotz oft vergeblicher Liebesmüh will aber auch Steingräber wieder für den Schenkenhorster Ortsbeirat kandidieren – mit Option auf das Ortsbürgermeisteramt. Auch Schöttler will in Sputendorf erster Ansprechpartner bleiben. Schließlich gebe es nur wenige, die sich für den Beirat begeistern lassen, so Schöttler. In Ruhlsdorf rechnet Längrich sogar mit einer vollen Kandidatenliste. Für fünf Beiratssitze werden sich wohl neun Kandidaten bewerben, darunter auch er selbst: „Eine letzte Runde möchte ich noch als Ortsbürgermeister drehen“, sagte Längrich. Vielleicht muss er darum sogar kämpfen: Axel Schädlich von der CDU hat vage Ambitionen für das Amt angemeldet.
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