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Potsdam-Mittelmark: So klein die Stadt, so groß das Fest

Start ins erste Baumblütenwochenende: Ein Festrundgang aus der Perspektive holländischer Besucher

Von Eva Schmid

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Werder (Havel) - Zum Blütenfest geht es auf dem Werderaner Campingplatz Riegelspitze international zu: Dänen und Holländer prägen das Bild. Einige kennen das Blütenfest noch nicht, die Chefin des Campingplatzes, Fanny Kinkel, klärt sie auf. „Es ist wohl wie das Oktoberfest, nur mit Wein“, schlussfolgert eine Besucherin.

Die Holzschuhe vor einem grauen Wohnmobil gehören holländischen Gästen, die extra zur Baumblüte angereist sind. „Wir sind schon zum dritten Mal bei dem Fest und zum fünften Mal in Werder“, erzählt der 69-jährige Jan Seffinga aus Groningen, einer Stadt rund 80 Kilometer westlich von Ostfriesland. So vieles sei bei der Baumblüte anders als bei holländischen Festen und die Menschen seien enthusiastischer, fügt er hinzu. Auch seine 68-jährige Frau Gea ist begeistert: „Werder ist so eine kleine Stadt und hat so ein großes Fest!“

Das niederländische Paar hat Fahrräder mitgebracht, zur Blüte komme man ja nur damit in die Innenstadt. Zur Mittagszeit stürzt sich das Ehepaar ins Epizentrum des Festes, in das laute Treiben rund um die Regattastrecke. Vergessen sind die Hinweise der Campingplatzbesitzerin Fanny Kinkel: „Am besten nicht in die Stadt, nicht auf die Insel, nicht abends und nicht am Wochenende auf das Fest.“ Sie empfiehlt ihren Gästen die Obstgärten und Höfe der Weinbauern zu besuchen.

Von Trubel kann kurz vor der offiziellen Eröffnung um 14 Uhr keine Rede sein: Vor den Ständen und auf der Straße in der Innenstadt ist viel Platz. Auf dem Markplatz und Unter den Linden tragen Jugendliche zwar Sonnenbrillen und Blumengirlanden aus Plastik. Doch das Frühlingsgefühl will sich bei den nasskalten Temperaturen nicht so richtig einstellen. Für viele Blumenkinder offensichtlich ein Grund mehr, einen tiefen Schluck aus der Obstweinflasche zu nehmen.

Der Kälte zum Trotz stapft Jan Seffinga los: Er schaut nach links und nach rechts, vor jedem Fahrgeschäft bleibt er stehen. „Ich liebe den Rummel und den Zirkus“, schwärmt er. Besonders gerne mag er Karusselle aus den 20er-Jahren. Den Betreiber des Riesenrades aus Dortmund kennt er vom Namen. „Burghard-Kleuser, das ist seit Jahrzehnten eine große Schaustellerfamilie.“

Aber auch die Wagen mit ihren Aufbauten gefallen ihm gut. Die seien viel hübscher hergerichtet als in Holland. Dort gebe es auf Volksfesten nur einfache Bretterbuden oder schmucklose Verkaufswagen. Manchmal geht Jan Seffinga etwas näher an die Fahrgeschäfte ran. Er betrachtet die Schrauben, die Konstruktion und schaut, woher der Wagen kommt. Die seien gründlich gebaut, aus schwerem Material, erklärt er. Immer wieder sagt er auf seiner Tour: „Das ist so schön, einfach wunderbar." Die Liebe für den Zirkus und Rummel hat er seit seinem zehnten Lebensjahr. „Damals kam der Zirkus der deutschen Familie Althoff in unsere Stadt und ich war begeistert.“

Über die Insel wehen am Samstag die typischen Gerüche und Geräusche: Es riecht nach Knoblauch- und Bratwurst, gemischt mit der süßlichen Note des Alkohols. Die Obstweinverkäufer prüfen ihre Auslagen und füllen neue Plastikflaschen auf. Von den Bühnen wummern Schlagerhits und Popsongs an das Havelufer. In der Ferne kreischt eine Frau, die wohl beim Bungee-Jumping dem Wasser sehr nahe gekommen ist.

Gea Seffinga nimmt davon wenig Notiz. Ihr fallen vielmehr die Unterschiede zu Holland auf: „Hier gibt es viel mehr Buden zum Essen und Trinken, überall sind Toiletten, man kann mit dem Bus und der Bahn kommen.“ Sie lobt, wie gut das Fest organisiert sei. Die einzige Gemeinsamkeit seien die betrunkenen Jugendlichen. Die würden sich auch in Groningen so aufführen. Die Holländerin hat Verständnis: „Der Obstwein ist so süß wie Limonade und das trinken junge Mädchen eben gerne.“

Während ihr Mann an einem Wagen mit Süßigkeiten nach Mandelsplittern Ausschau hält, sieht die grauhaarige Frau den Umzug mit seinen 35 Wagen und 1500 Teilnehmern Richtung Markt ziehen. Darauf hat sie gewartet. Ihr Mann liebt die Stände, sie den Umzug. Sie zupft ihrem Mann am Ärmel, zeigt auf die Menschenmasse und stapft voran in Richtung Inselbrücke. Als sie einen Platz in der ersten Reihe ergattert hat und auf den langen Umzug blickt, staunt sie erneut: „So eine kleine Stadt und so viele Vereine.“

Winkend und bibbernd fährt die Spargelkönigin in einem Cabrio an der Holländerin vorbei. „Das ist die Blütenkönigin“, ruft sie ihrem Mann zu. Ein Werderaner klärt sie freundlich auf und erzählt ihr vom Beelitzer Gemüse. Blütenkönigin Claudia Bremer ist später im Zug – in einem schwarzen VW Beetle-Cabrio. Es ist, um jeden Irrtum auszuschließen, mit „Blütenkönigin“ beschriftet.

Nach etwa vier Stunden haben die Holländer ihre Innenstadttour beendet. Mit dem Obstwein haben sie sich noch zurückgehalten. Bei ihrem letzten Besuch hatten sie von der jeder Sorte drei Flaschen mit nach Hause genommen. Der Kofferraum war voll, sagt Jan Seffinga. Dabei trinke er eigentlich nur Bier.

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