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Bewegte Welt. Die sich drehende Weltkugel stand zwischen Beamer und Leinwand und sorgte so für stets wechselnde Weltblicke. Auf der Leinwand wurde es auch kritisch.

©  Johanna Bergmann

KulTOUR: Softpower im Bäh-System

Im Kleinmachnower Landarbeiterhaus zeigten Videokünstler aggressive Gesellschaftskritik

Kleinmachnow - Die sechste Lange Nacht der Videokunst am Samstag im Landarbeiterhaus Kleinmachnow, dem Z 200. Draußen wurde eine ansehnliche Feuertonne für die Veranstaltung vorbereitet. Schneeweiße Leinwand war am Nebenhäusel befestigt, drinnen bastelte man noch an den Beamern für eine bemerkenswerte Videoprojektion herum, dazwischen wuselte Asia, das zweijährige Mädchen. Es hatte beim Auftritt der „ë – e – Gruppe AV Act & VJ“ mit weißem Schutzanzug und Stirnlampe seinen eigenen Part.

Sechs Mal Videokunst war geplant, einer musste ob eines Schicksalsschlages absagen. Schade, man hätte gern gesehen, wie „fRED“, der Mann mit dem sprechenden Namen, den Außenwald in einen „Forest of Letters“ verwandelt. Wer die Märchen kennt, weiß, wie das geht. Neben der großen Feuertonne zeigte „das kraftfuttermischwerk“, was für Videoperlen sich aus dem Netz fischen und neu montieren lassen. Animation und Variation, Stop-Motion und rasante Beschleunigung – erstaunlich, wie sich eine Faust blitzschnell in einen Faden verwandelt, dieser in eine Kompanie von Streichhölzern, diese in ein sprechend gezeichnetes Porträt, und das alles endlos so weiter, eines ins andere. Dann wurde man an den alten Ovid und daran erinnert, dass alles belebt und alles in Wandlung ist, entgegen dem jetzigen Zeitgeist.

Einer der Beteiligten wurde am Feuer als Künstler begrüßt, seine Antwort „Künstler gibt es hier nicht!“. Nun, das war deutlich untertrieben, der Kunstverein „Die Brücke“ und das Kleinmachnower „proto lab“ als Veranstalter sind ja keine Anfänger in Sachen Kunst. So zeigten Walter Gramming und „UshiF“ eine Videoprojektion aus der Bauhausbühne Dessau. Zwei Nackte, dazu ein Gitarrist mit Psychedelic-Klängen, man wandelt über alte Türen aus dem ehemaligen „Russenviertel“. Bilderstopp, wechselnde Farben, sich verwaschende Linien und Strukturen – man kann sich allerlei denken beim „H + S“-Projekt, Hammer und Sichel also. Die Projektion wurde durch eine aus Plastiksträngen zusammenmontierte Erde an die Wand geworfen, gar nicht uninteressant.

Staunen auch beim US-Amerikaner Ilan Katin und seinem Opus „Licht und Schatten“. Ein weißer Karton auf dem Fußboden wird von einem Spot angestrahlt, sonst gar nichts. Tatsächlich entstehen, wer hätte das gedacht, Schatten. Schatten für eine Meditation. Goethe hat das für seine Farbenlehre so ähnlich gemacht! Das passende Video dazu lief wahrscheinlich allein im Kopf der Betrachter ab, eine hübsche Heimlichkeit!

Zurück zu den dreien mit den schneeweißen Schutzanzügen, zu Asia und den anderen. Das „ë“ bezieht sich auf das russische „jo“, gezeigt wurde eine Video-Performance mit drei Beamern. Den Untergrund bildet eine Fläche mit Weltfirmennamen, über denen Schriftbänder mit Worten wie „Softpower“, „Bäh-System“ oder „Totalitarismus“ laufen. Extrem kurze Einstellungen, Technomusik. Dazu malten Mama Jana und Klein-Asia Krypto-Kalligrafisches, ebenfalls mit ins Bild hineinprojiziert. So entstand eine richtig aggressive Welt- und Gesellschaftskritik, wie man sie aus Kunstkreisen schon lange nicht zu sehen bekam.

Zu all dem gab es Techno, Hip-Hop und klassischen Soul vom guten alten Plattenteller, Gespräche am Feuer, Gespräche beim Bier in Frieden und in Freundlichkeit. Das blieb so, als Regen einsetzte. Freilich hätte der kreative Geist dieses Abends deutlich mehr Besucher verdient, zumal „danach“ Party mit open end angesagt war. Vielleicht kamen ja später noch welche. Möglichkeit zum Kraftfuttern, Mischen und Werken gab es ja genug. Zum Softpowern auch. Gerold Paul

Gerold Paul

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