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DasWAR“S: Sommer und Hormone

Was Peter Könnicke bereit ist, zu erdulden

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In der Schule wäre jetzt die Zeit, in der man sein schönstes Ferienerlebnis aufschreiben muss. Einmal habe ich die Ferienlagererlebnisse meiner Schwester abgeschrieben, die sie ein Jahr zuvor für ihren Deutschaufsatz verfasst hatte. Der Schwindel ist nicht aufgeflogen, peinlich war es mir trotzdem. Sollte ich irgendwann mal bei einem Psychiater auf der Couch sitzen, wird er diese Lüge vielleicht als den Ursprung meiner journalistischen Laufbahn deuten. Von dem Moment an, wird der Psychiater sagen, hätte ich geduldig und aufmerksam auf eigene mitteilsame Erlebnisse geachtet.

So prägte ich mir in diesem Sommer zunächst gründlich den riesigen Schornstein des Heizkraftwerks Hamm-Uentrop ein, an dessen Fuß mein Sohn und ich für eine Nacht unser Zelt auf einem Campingplatz aufschlugen. Aber mal abgesehen von dem herrlich warmen Wasser der Lippe, was man als All-Inklusive-Leistung eines Zeltplatzes neben einem Heizkraftwerk schließlich erwarten kann, war es nicht wirklich schön.

Schon besser ist da die Erfahrung, die ich während eines Besuchs bei Fred Loose in Schenkenhorst machte. Herr Loose hat in seinem Leben 1000 Mal kostenlos Blut gespendet. In seiner Brieftasche trägt er zusammengefaltete Zeitungsartikel mit sich, die die Etappen seiner Spenderkarriere dokumentieren. Anfangs war unser Gespräch etwas zäh: Herr Loose hegt eine gewisse Skepsis gegenüber Reportern. Die würden nichts richtig schreiben, nichts stimmt, alles sei falsch. Zum Ende meines Besuchs war Loose jedoch sehr gesprächig. Er erzählte mir, wie er einmal nach einem Ausflug zur Blutspende zurück zur Arbeit auf das Volkseigene Gut Sputendorf kam. Dort arbeitete Loose als Schweinezuchtmeister. Er schilderte mir lebhaft, wie er seine Knie den Säuen in die Flanke drückte, um festzustellen, ob sie das „Duldungshormon“ hätten. Schillernd erzählte mir Loose, wie anstrengend es war, die Sau aus der Box zum Eber zu treiben. Vom Blutspenden geschwächt, wurde ihm schwarz vor Augen, er klappte ab und verpasste, wie der Eber die Sau glücklich machte. Danach ist er – Gott sei dank – rechtzeitig aufgewacht.

Wir saßen auf Looses Terrasse und er erzählte mir von Blutplasma, von seiner Beschwerde bei Matthias Platzeck, dass Blutspender zu wenig gewürdigt werden, von einem hühnereigroßen Geschwür, dass er einmal an seinem Schienbein hatte und von poppenden Schweinen. Hätte er mir sein Knie in die Seite gedrückt, hätte er festgestellt, dass mein Duldungshormon auf Hochtouren arbeitete. Ich war bereit, einen guten Aufsatz zu schreiben.

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