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KulTOUR: Sound der Motoren

Ob Oldtimer-Museum in Bergholz oder Industriemuseum in Teltow: Auch Technik ist Kultur

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Nuthetal / Teltow - Ob mit oder ohne Billett, Museumsbesuche sind immer Herzenssache, es treibt einen ja keiner hinein. Insofern war der mittelmärkische Aktionstag „Feuer und Flamme für unsere Museen“ letzten Sonnabend eher ein milder Lockruf, einfach mal eines ohne Entree zu besuchen, an dem man sonst eher vorbeifährt: Und tatsächlich entdeckt man mit Herbert Schmidts „Oldtimer-Museum“ gleich vor der Haustür eine wahre Perle deutscher Bewahrungskunst.

Stück um Stück restauriert, alles übersichtlich beschildert, trifft man hier gleich zu Dutzenden auf motorgetriebene Schönheiten von gestern und vorgestern. Gut 200 davon kann der inzwischen betagte, aber sehr mobile Propeller-Schmidt in Schuppen, Scheune und Tenne vorweisen! Schon am Toreingang in der Bergholzer Schlüterstraße wird man von einem Lieferfahrzeug auf drei Rädern begrüßt, wie man es aus italienischen Nachkriegsfilmen kennt. Dieser Piaggio sieht zwar mächtig historisch aus, ist aber ein Nachbau aus dem Jahre 2009.

Alles andere ist älter, von eigener Hand restauriert und jederzeit einsatzbereit, denn bei ihm kam seine Berufsbezeichnung Maschinenbauer noch immer zu ihrem Recht. 100 Motorräder, etliche Bootsmotoren, Fahrräder fast aus der Steinzeit, dazu sechs Autos, darin es mitunter aussieht wie bei Oma auf dem Sofa.

Das älteste Motorrad der Firma Victoria stammt aus dem Jahre 1904, von Zündapp sind sämtliche Modelle komplett versammelt, sogar ein überschweres Krad-Gespann aus dem letzten Krieg. Als Nachbau fährt die deutsche KS 750 noch heute! Übrigens verlangen Schmidts ältere Modelle höchstens vierziger Oktan, sonst husten sie. Und natürlich hat jedes Schmuckstück seine eigene Story, wie etwa die vom Dienstfahrrad des Potsdamer Bäckers Braune aus den 30er Jahren! Wenn Herbert Schmidt sie erzählt, wird aus bloßer Technik plötzlich – Kultur!

Manch alte, aber viel neuere Technik hat das jetzt umgezogene „Industriemuseum Region Teltow“ zu bieten. Vom Instrumentenbau bis zur Heimelektronik, von der Polymerenchemie bis zum Microchip findet man nun in Teltows Oderstraße alles, was die Gegend erdacht und berühmt gemacht hat. Vielleicht hilft die regionale Künstlergruppe „blutorangen“, die noch fehlenden Ausschilderungen zu ersetzen, denn seit Sonnabend stellt sie unter dem Titel „Kunst trifft Technik“ neue, teils extra zum Anlass entstandene Werke direkt in den Museumsräumen aus.

Da werden das High-Tech-Windrad neben die alte Windmühle gestellt, mit der alten Spinnerin die Zeit zurückgespult, Omas Nähmaschine und die Räder einer Dampflok dürfen noch einmal in aller Größe erscheinen. Man entdeckt kubistisch gehauchte Nächte, glaubt auch hier, den Sound der gemalten Speed-Motoren zu hören. Wenige Arbeiten nur zeigen die Alternativen zur Geometrie der Technik, „Liniengewaber“ etwa und jene Kleinskulpturen, deren eine vor lauter Solitüde traurig ihre Flügel hängen lässt.

Wenn es derzeit auch noch „Mit Volldampf voraus“ geht, so fragt ein Gewirr aus Geleisen und Weichen auf einem anderen Bild bereits nach dem Wohin. Allerdings wird das Generalthema ganz unterschiedlich bewältigt, oft mehr symbiotisch als kritisch, mehr technisch als künstlerisch, und längst nicht immer von der notwendigen Qualität im Handwerklichen, schade. Wie immer auch, letztlich ist jede Technik zugleich auch „Kultur“.

In Bergholz kann man beim Sound der Motoren die liebevolle Faszination zum Können der Alten erspüren, Teltow führt einem den weiteren Weg dieser Technik bis an die Grenzen des Fortschritts vor Augen. Gerold Paul

„Kunst trifft Technik“ bis Dez. im Industriemuseum, Oderstr. 23, Di-Sa 10-16 und jeden ersten Sonntag im Monat 12-16 Uhr

Gerold Paul

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