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Potsdam-Mittelmark: Souverän, aber ohne Herzblut

Das russische Vokalensemble „Neva“ sang in der Stahnsdorfer Stabholzkirche

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Das russische Vokalensemble „Neva“ sang in der Stahnsdorfer Stabholzkirche Stahnsdorf - Vorschusslorbeeren vergaben die Stahnsdorfer Konzertbesucher reichlich an das Gesangsensemble „Neva“ aus St. Petersburg: Bis auf den letzten Platz war die Stabholzkirche auf dem Südwestkirchhof am Sonntagnachmittag gefüllt. Als die fünfköpfige Besetzung mit zwei Sängerinnen und drei Sängern eintraten, empfing sie anhaltender, erwartungsfroher Applaus. Augenscheinlich waren die Zuhörer in bester Sonntagsstimmung: Draußen beschien die goldene Spätsommersonne das noch sattgrüne Friedhofsgelände und innen tauchten Kerzen die alte norwegische Holzkirche in festliches Licht. Ihre Bauweise erinnert an alte russische Holzkirchen - ein stimmungsvoller Rahmen für russisch-orthodoxe Choräle und Volksweisen. Nachdem Bariton Boris Kozin die Zuhörer in sympathisch-holprigem Deutsch begrüßt hatte, wurden im ersten Teil des Konzerts die Choräle nicht auf Russisch, sondern der Tradition folgend auf Altkirchenslawisch zu Gehör gebracht, darunter Peter Tschaikowskis „Vater Unser“ und Sergej Rachmaninows „Dir singen wir“. Alle Sänger des Vokalensembles „Neva“, benannt nach dem großen Fluss, der St. Petersburg durchzieht, sind ausgebildete Solisten, die seit mehr zehn Jahren für Konzerte durch Europa reisen. Die Stabholzkirche in Stahnsdorf gehörte zu ihren ersten Auftrittsorten, das letzte Mal waren die Sänger zu Weihnachten vor fünf Jahren hier zu Gast. Das Konzert am Sonntag erweckte den Eindruck, dass sich die Leidenschaft so fern der Heimat im Laufe der Jahre etwas verflüchtigt hat. Die fehlende Spannung führte bei den Chorälen dazu, dass einige Passagen nicht sauber intoniert wirkten. Einen besseren Eindruck machten die solistischen Teile: Tenor Andrej Kalajda und Bass Jurij Znamenskij überzeugten mit klaren, kräftigen Stimmen. Auch Mezzosopranistin Natalja Sawostianowa wirkte souverän. Sopranistin Swetlana Kozina gelang es jedoch an diesem Nachmittag nicht, die feineren Ohren in der Illusion der Mühelosigkeit zu wiegen. Nach den kirchlichen Gesängen war der zweite Teil des Konzertes dem volkstümlichen Liedgut gewidmet. Ob es an den folkloristischen Trachten lag oder daran, dass sie die Volkslieder in ihrer Muttersprache Russisch vortrugen - die einzelnen Sänger wirkten jetzt stärker beteiligt. Und siehe da - zaghaft, aber spürbar spannte die russische Seele doch noch ihre Flügel aus. Besonders Tenor Kalajda war die emotionale Verbundenheit mit Liedern, wie „Es scheint der helle Mond“ anzumerken, wenn ein versonnenes Lächeln seine Lippen beim Vortrag umspielte. Mit dem Schlusschoral „Auf viele Jahre“, bedankten sich die Sänger beim Publikum. Der lebhafte Applaus bewog sie, als Zugabe die beliebten „Abendglocken“ zu singen. Die Zuhörer dankten es ihnen mit stehendem Applaus. Gelegentlich hört man, die „russische Seele“ sei in Wahrheit ein Relikt der deutschen Romantik des 19. Jahrhunderts oder bestenfalls eine Erfindung Ivan Rebroffs. Aber jeder, der Russland einmal selbst bereist hat weiß, dass sie weit mehr ist, als ein Klischee. Und wer einmal in russischen Kirchen gehört hat, mit welcher Inbrunst die Geistlichen ihre Choräle vortragen, der vermisste diese Intensität und Kraft.

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