KulTOUR: Spannung mit Schuss
Kriminalrevue im Tiedemann-Haus mit dem Berliner „Kriminal-Theater“
Stand:
Beelitz - Soviel „kriminelle Energie“ wie am letzten Freitag dürfte Beelitz noch nie in seiner Geschichte erlebt haben. Natürlich sind alle Männer Verbrecher, wie etwa Frank Wedekinds uriger „Tantenmörder“ oder der unbekannte „Mann da, auf der Veranda“, oder gar der „Schöne Franz“, aber was ist mit der Damenwelt!
Seufzte Angelika Mann im Tiedemannsaal denn nicht zum Spaß der Gäste „Ach Erich!“, womit nicht jener mit H. gemeint war – vielmehr ihr opulenter Partner Tom Deininger, der trotz seiner Körperfülle und mancherlei krimineller Kunstgriffe etliche Mühe hatte, den Kerl im Sarg (Arne Lehmann) auch richtig totzukriegen? Kaum war er weg, machte sich das vermeintliche Opfer schmusig an die immer noch Lütte heran. Über den Abgrund Mensch kann man auch lachen, man muss es nur richtig serviert bekommen.
Darauf ist das Berliner „Kriminal-Theater“ spezialisiert: Schon bei ihrer „Mausefalle“ von Agatha Christie war im März 03 in der Spargelperle einiges los, und hatte nicht „Fisch zu viert“ überhaupt erst den Saal kurz vorher eröffnet?
Passabler Besuch, gehobene Preise, aber ein recht lauer Start in zwei Stunden schwarzen Humors und kriminaler Evergreens wie „Jawoll meine Herren“ oder „Der rosarote Panther“, womit Pianist Jürgen Beyer und der treffliche Saxophonspieler Axel Glenn Müller den Abend dunkelster Triebe eröffneten. Wolfgang Rumpf und Wolfgang Seppelt hatten die Nummern aus allen Ecken und Enden der Kultur zusammengerufen, ersterer richtete sie auch als Revue für die Bühne ein, was eine Reihe von Abgängen (des Umziehens wegen) erforderte. Verkleidungen schrill oder gedeckt, mal mit Stola, mal mit goldener Hose, womit sich Arne Lehmann als Paradiesvogel der Marke „Schöner Franz“ empfahl, oder ganovisch sonnenbebrillt, jedenfalls so oft mit strohigem „Berufshut“, bis man gewiss war: „Der Mörder ist immer der Gärtner“.
Dieser Song (Mey) zog sich leitmotivisch durch ein Programm voll kräftiger oder vertrottelter Gestalten, darin Hollaenders Haben-Haben-Haben-„Kleptomanin“ genauso Platz hatte wie der „Chef vom Detektivbüro 00“ und Mimi, welche ohne Krimi nie ins Bett geht. Mackies Messer fehlte selbstverständlich so wenig wie die Ballade vom Massenmörder Haarmann aus den 20er Jahren, der junge Männer zerfleischte.
Interessanterweise hielt sich Angelika Mann durchweg an die Bühne, indes die Herren mancherlei Wege ins Publikum suchten. Als der „Kriminaltango“ dran war, löste Tom Deininger tatsächlich einen Schuss mit seinem Theaterpistölchen aus, dessen Widerhall heftig erschreckte. Oh, sagte er, das war zu laut, beim nächsten Mal lassen wir das weg!
Spätestens hier war der Bann gebrochen, die Darsteller konnten auf einmal prächtig chargieren, mit dem Publikum und in ihren Rollen spielen, endlich loslegen im Lichte zweier Spots, wie es einer Revue, flankiert von den Instrumentals „Fly me to the moon“ (Howard) und Brubecks „Take Five“, auch ansteht. Man fragt sich nur, warum es oft so lange dauert, bis die Damen und Herren Künstler ihr warm up zu Ende bringen.
Manche Nummern waren gut zu verstehen, andere (wie der blöde Witz auf die Bayern) schlechter. Dafür nahm man mit gutem Vergnügen Anteil am „Maskenball bei Scotland Yard“ und am „Taubenvergiften“, bis sich herausstellte, dass nicht der Blumenfreund so erbarmungslos zugeschlagen hatte, sondern – unbekannterweise – der Butler. Finale, Zugabe, Blumen, dann wollten die durstig gesungenen Kehlen ihr Bier.
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