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KulTOUR: Spielen, bis die Tasten glühen

Schlecht besucht und trotzdem spannend: Eine Bootspartie mit Theater bei Caputher Musiken

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Schwielowsee - Schade, dass die Resonanz auf ein ungewöhnliches, dafür aber höchst innovatives Ereignis der „Caputher Musiken“ am Frühabend des Samstag so deprimierend gering war. Zwar legte der gecharterte Dampfer „Königswald“, von Potsdam her kommend, am Kurfürstlichen Schloss pünktlich ab, doch blieb eine ganze Hochzeitsgesellschaft auf dem Steg zurück, Zaungäste nur. Wäre sie mitgefahren, so hätten Veranstalter wie auch der darstellende Künstler einen erfüllteren Abend gehabt.

Die Idee war so prachtvoll wie das Schwielowsee-Wetter bei zunehmendem Mond: Eine Bootspartie mit Theater, welches von einem See-Mann erzählt, der niemals festen Boden unter den Füßen hatte. Den See hinauf und herunter, Kulinarisches drumherum, toll. Alles hat trotzdem sehr schön zueinander gepasst, zumal man in Dieter Grell ein Multitalent engagierte. Lehrer, Schauspieler, Texter, Musiker an zahlreichen Instrumenten, Entertainer und Tänzer, was eine Dame im Publikum bald erfuhr. Mit wenigen Mitteln erzählte der Niedersache, was Alessandro Baricco in Prosa aufschrieb und Herr Tornatore verfilmte, „Die Legende vom Ozeanpianisten“. Als Findel auf der Virginian in einem Koffer entdeckt, wurde er Novecento, „1900“, genannt. Sein Metier war das Klavier, das er spielte wie vorerst kein zweiter.

Die Ich-Figur dieses siebzigminütigen Spiels ist ein Jazz-Trompeter des Liners, der Erzähler Grell. Seine dunkle, kräftige Stimme überstimmte die leise laufenden Motoren der Königswald spielend, er drang akustisch gut durch, kam jedoch leider nicht bis in die hinteren Reihen, was sich bei dieser Art Bühne angeboten hätte. Aber wie Novecento nie das Festland betrat, so hatte Grell dieses Einpersonenstück noch nie auf Schiffsplanken gegeben, ausgleichende Gerechtigkeit also.

Er blieb mehr Erzähler als Darsteller, gleichwohl er die gesamte Jazzband erfolgreich imaginierte, dieses und jenes spielerisch andeutete. Das Wichtigste war der Vortrag des Textes, besonders jener Part, wo Novecento plötzlich Konkurrenz vom vermeintlichen „Erfinder des Jazz“ bekam.

In der 1. Klasse des Luxusdampfers wurde nun um die Wette gespielt, indes die Königswald im Sonnenuntergang das Ende vom Schwielowsee passierte. Das marine Wunderkind gab alles, die Klaviersaiten glühten. Zum Beweis entzündete es eine Zigarette an ihnen – er hatte gewonnen. Wenn man den Theaterbegriff nicht allzu sehr strapaziert, war das auch recht überzeugend.

Novecento blieb ein konsequenter Meeresbewohner. Als der Krieg die „Virginian“ als Schiffslazarett heruntergewirtschaftet hatte, wurde ihre Sprengung auf offener See befohlen. Er blieb an Bord, das Land schien ihm zu unendlich, mit seinen Klavierhänden nicht zu erfassen

Dann war es auch schon vorbei. Blumen für den Künstler, doch der Ablauf ließ noch eine halbe Stunde See-Luft bis zur Rückfahrt nach Caputh. Man unterquerte die Baumgartenbrücke, genoss Landschaft und Mond – hier hat eine sanfte Kapelle gefehlt, Wasser macht ja stets melancholisch.

Die Fahrt (man mag das andere Wort nicht verwenden, drei „F“ sind wirklich zu viel) durchs Gmünde endete also als stille Bootspartie. Keinen Grund zur Melancholie sollten die Veranstalter haben. Mit Mut und stärkerer Werbung ist diese Tour allemal eines zweiten Versuches wert. Dieter Grell wird vielleicht wieder zusagen, und wer das Ereignis diesmal verpasste, könnte sich so auf das nächste Jahr freuen. Das wäre schön.

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