
© Andriotta
KulTOUR: Splitternackt hoffend
Um die erotische Liebe drehen sich die Werke des Künstlers Heinz-Detlef Moosdorf
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Werder (Havel) - Was man nicht hat, das braucht man, was einem fehlt, das sucht man. Alles im Leben zielt auf Ausgleich hin, möglichst noch im Diesseits. Das betrifft ganz besonders die Sexualität: Nach Platon hat der oberste Olympier ja den unbotmäßigen Menschen in Männlein und Weiblein zerteilt. Seitdem suchen die Teile einander. Treffen sie sich, nennt man es Begehren, finden sie sich, ist´s Erotik.
Heinz-Detlef Moosdorf hat einen ganzen Garten voll von solchen Wiederbegegnungen. Liebespaare in Terrakotta und Speckstein, eng umschlungen, unter Bäumen, im Gras oder in einem Fisch, der eben vorbeischwimmt. Rundherum Grün, ein Labyrinth aus Pflanzen und Liebe. Ein „Garten der Lüste“, nach Hieronymus Bosch? Das trifft es nicht ganz, dennoch hat Frank Weber, Kurator der Stadtgalerie in Werder, die neue Ausstellung so genannt. Für ihn ist sein Künstlerkollege ein Faszinosum.
Nicht unbedingt wegen dessen politischer Vergangenheit, die mit etlichen Rausschmissen endete, weil er Kontakt zu Biermann aufnahm, sondern wegen seinem Oeuvre: Es ist erotisch, es ist gediegen, wahrscheinlich auch ziemlich beständig. Nun wäre Weber ja kein Konzeptkünstler, wenn ihm auch diesmal nicht etwas Neues eingefallen wäre. Wie Moosdorfs Werk eine Dreiheit aus Malerei, angewandten und grafischen Arbeiten bildet, so versucht er, die Dreidimensionalität des Künstlergarten-Labyrinthes in einem Innenraum wiederzugeben.
Und so tritt zum bildnerischen Werk Moosdorfs die Kunst der schönen Detail-Fotografie von Andriotta A. Wodak, um „die Lage der Dinge“ im Grün des Geländes zu dokumentieren. Hört man dann auch noch Vogeltwittern, so wird man eines kleinen Filmes gewahr, der den „Garten der Lüste“ - in Haida, zwischen Elsterwerda und Bad Liebenwerda gelegen - auf seine Art spiegelt: Konzeptkunst eben!
Was in Moosdorfs grafischem und plastischem Werk zuerst auffällt, ist eine extreme Verdichtung der Bildidee. Männlein und Weiblein scheinen beim Akt zu einem Wesen zu verschmelzen, wobei man hier und da durchaus auf rubenshafte Fülle stößt. Aber auch altafrikanische Impulse werden aufgenommen, riesige Brüste zum Beispiel verweisen zuerst auf das nährende Prinzip, nicht auf Erotik. Lustvoll ja, lüstern: kaum. In seinen Grafiken neigt er bei durchaus realistischer Darstellung zur Allegorie, wenn er zwei Alte mit untergehender Sonne darstellt, oder zwei Umschlungene „Nach dem Bad“ in belebter Natur wie zwei Bäume aussehen.
So licht und luftig seine Aquarelle wirken, so düster und schwer das Linol: Der 1939 in Wurzen geborene Künstler führt seine aus vielerlei Strichen, Formen und Bewegungen zusammengesetzten Sujets fast immer bis an den Bildrand, sodass mehrdimensionale Geschichten entstehen, nicht so ganz ernstgemeintes Nebeneinander von liebend verschlungenen Menschenpaaren und den Gesichtern der Natur im Garten.
Auch Ölwerk ist dabei, der „Garten der Vergänglichkeit“ mit seltsam zahnlosen Greisen, manches wirkt auffallend flächig. Als Krönung dann das Selbstporträt des Malers als Kaiser und die selbst geschriebene Sentenz auf die Wiedergeburt der Liebenden: Aus der Verzweiflung sollen sie sich heraustanzen, sich drehen, erblühen, und „splitternackt hoffen, aus ganzer Seele heraus, bedingungslos“. So ist diese Ausstellung wohl auch zu verstehen. Gerold Paul
bis zum 2. September ist die Ausstellung in der Werderaner Stadtgalerie „Kunstgeschoss“ jeweils Do., Sa. und So. von 13 bis 18 Uhr geöffnet
Gerold Paul
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