KulTOUR: Spur der Steine
Eine bemerkenswerte Ausstellung im Museum der Glindower Ziegelei
Stand:
Werder (Havel) - Original historische Ringofen mächtigen Umfangs, mehr als ein Dutzend gähnender Schlünde, in denen die Hitze noch steht, Stapel zu brennender Tegel, etwas Handwerkzeug – in der Glindower Ziegelei-Manufaktur kommt man sich vor, als sei man in einen jener babylonischen Feueröfen geraten, von denen das apokryphe Buch Daniel erzählt. Im Ziegeleimuseum gleich nebenan ist jetzt eine bemerkenswerte Ausstellung zu sehen. Sie beschreibt gleichsam die „Spur der Steine“ an der Nahtstelle zwischen Manufaktur und Industrie, Gewerbe und Kunst, Vergangenheit und Gegenwart.
Die 15 Beschäftigten des Betriebes sind ja nicht müßig: Längst wird wieder gemischt und geformt, glasiert und gebrannt, das aktive Industriedenkmal macht Geschäfte weit über Glindow hinaus. Womit? Mit Versatz- und Ersatzstücken, die man zur Restauration alter Gebäude braucht, vielleicht sogar mit der Zukunft.
Keramikermeister Werner Unfried und der Keramikerin Birgit Kumar obliegt der Produktionsprozess vom Kopieren des zu ersetzenden Stückes bis zur Fertigstellung seines „modernen“ Doubles. Ihnen diese besondere Exposition zu widmen, ist gut und gerecht. Sie benötigte auch besonders viel Werbung. Der Ausstellungsraum („Magazin“) muss aufgeschlossen werden. Gut beschildert, kann man verfolgen, wie aus dem maroden Vorbild einer „Konsole vom Lübecker Dom“ eine funkelnagelneue wird. Stücke von backsteingotischen Kreuzgängen für diverse norddeutsche Kirchen und Klöster. Sogar ein Stück der platinüberzogenen „Wandskulptur“ für die Eingangshalle der Universität Sonderborg ist ausgestellt, alles Handarbeit.
„Die dänische Königin hat das persönlich eingeweiht“, berichtet Helmut Nier, einer der freundlichen Führer vor Ort, voller Stolz. „Die Glindower wissen zum Teil gar nicht, was hier passiert.“ Gemeint ist wohl auch das Viertel seit 1990 Zugezogener, welches den „Industriegürtel“ am Wasser bisher ignorierte.
Es ist tatsächlich so etwas wie eine Spur der Steine: Zuerst wurde mit Glindower Ton aufgebaut, irgendwann später muss man dann ausbessern, restaurieren. Ganz schön praktisch. Je nach Bestellung werden natürlich immer die passenden Tone verarbeitet. Ockerfarbender „nach Glindower Art“ kommt aus einer Restgrube in Petzow. Roter Ton wird aus dem Raum Rathenow bezogen – die Abbaustätten bei Leipzig oder im Westerwald haben eine andere Note, bis zum Dunkelton.
Klar, dass dieses Unternehmen ein gesuchter Partner für Restauratoren und Denkmalpfleger von nah und fern ist. Parchim etwa forderte den Ersatz einer dreiteiligen „Pfeilerstütze“ an, der Frankfurter Römer Wandfliesen für die Neugestaltung eines Flures. Stadt- und Burgwappen sind gefragt, sogar noch echte Ziegel. Glindows Standortvorteil: Hier kann man auch richtig große Formate brennen.Wo immer also nach dem richtigen Ton gesucht wird, rückt die Restaurations- und Designer-Kolonne um Birgit Kumar und Werner Unfried an, in Klöster, Kirchen, Bürgerhäuser, da ist noch viel Luft. Ganz besonders können sich die Manufakturisten über die politische Wetterlage in Potsdam freuen: Wer ahnte schon, dass mit dem Bau der Garnisonkirche – vielleicht gar des Stadtschlosses – in Zukunft viel Arbeit auf die Glindower Ziegler zukommt? Da raucht der Schornstein wieder für die guten alten Feueröfen nach Patent von Hoffmann, wie ehedem.
Gerold Paul
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