zum Hauptinhalt

KulTOUR: Spurlegerin und Fährtensucher

Huchel-Preissträgerin Monika Rinck las in Wilhelmshorst aus ihrem Prosaband „Honigprotokolle“

Stand:

Michendorf - Eine wahre Huchel-Preisträgerin muss irgendwann auch mal im Wilhelmshorster Peter-Huchel-Haus gewesen sein. Während aber andere wie Nora Bossong oder Marion Poschmann noch immer ante portas warten, hat es Monika Rinck geschafft: Im Frühjahr bekam sie die viel begehrte lyrische Trophäe, und nun las sie am poetischen Ort aus dem gekrönten Opus „Honigprotokolle“. Es ist ihr elfter Preis innerhalb von zwölf Jahren, von diversen Stipendien ganz abgesehen.

Das Buch aus dem Berliner Kookbooks-Verlag ist gerade mal achtzig Seiten stark, beherbergt aber fünfundsechzig Gedichte, die man notfalls auch gut rhythmisierte Prosa nennen könnte, ohne rot zu werden. Im Untertitel heißt dieser Band „Sieben Skizzen zu Gedichten, welche sehr gut sind“. Viel Selbstbewusstsein und Humor, aber meint sie nun die Skizzen, oder gar die Gedichte? Das gut besuchte Huchelhaus erfuhr es aus dem Munde der Autorin. Allerdings trug sie ihre Sprachschöpfungen eher alle nach einer als jede nach ihrer Art vor.

Trotzdem gab es beim Hören so manches Vergnügen, denn Honig ist der temperamentvollen Autorin Metapher für vieles: die Spur auf dem beschriebenen Papier, die Süße einer guten Liebe oder Freundschaft, Sinnbild der Natur, von der sie nicht viel versteht, Honig als Endprodukt des immengleichen Wortesammelns, und Worte, die zuletzt im Ohr wie Honig klingen können. Auch seine Kehrseite wird nicht vergessen, das Anhaftende, klebrige Süße, die süße Klebrigkeit.

Obgleich sie nicht wisse, ob ihre Werke beim Leser als Gedichte wahrgenommen werden, schickt sie ihn nicht zum Genießen los. Ein Fährtenleser soll er sein, wie es Jagdhunde sind, sie aber sei die Spurlegerin. Ihre „assoziative Intelligenz“ verlangt nach einem aktiven Gegenüber, nix da mit Antriebsarmut!

Wäre da nicht dieses stete „Hört ihr das, so höhnen Honigprotokolle“ am Anfang der meisten Gedichte, so könnte man Rincks Lyrismen für übermütige Spielereien halten. Sie nimmt sich ja die Freiheit, den Rezipienten mitzunehmen, wo sie ist oder sein will, bei den Kollegen, an der Seite eines Übersetzers, im Wald, wo sich Wiesel und Autowrack begegnen, im Lärm eines Aeroporthotels oder als Personifizierung all dessen, was in und an einem See so passieren kann, eines ihrer schönsten Werke.

Um ein Du oder Wir als Gegenüber niemals verlegen, geht es mal spielerisch, mal stringenter zu. Ab und an verführen Begriffe sie zu unpoetischen Wendungen. Aber dafür ist ja das Zwischendeck der höhnenden Honigprotokolle eingebaut, Hohn klingt ja fast so wie Honig. Dies schafft Abstand, ohne ihr Temperament zu bremsen, sorgt dafür, dass keine zu große Ordnung im Werk entsteht, das schadet der Poesie. So stehen richtig süße Sachen neben erzwungenen – bitterer Honig sozusagen!

Literaturwissenschaft als Wegbegleiter und Moderator dieser Lesung? Sie will doch immer alles ganz genau wissen, bis zum Untergang eines Gedichts. Nun, Michael Opitz bemühte sich sehr, mehr Leben als Lehre aus den Gedichten zu ziehen, doch zuletzt gab es doch wieder Begriffsgefechte um Romantik, Surrealismus, tötende Fragen zur Arbeitsweise der Lyrikerin. Die Wissenschaft kann eben nicht aus ihrer Haut heraus. Für Monika Rinck aber hat ein Gedicht viele Eingänge. Das nun sollte den lebendigen Leser freuen samt seiner assoziativen Intelligenz. Gerold Paul

Monika Rinck „Honigprotokolle“, Kookbooks, Berlin 2012

Gerold Paul

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })