
© Marie Goslich
KulTOUR: Stadtflüchtige Maler und ihre Lust am Landleben
Der Förderverein Havelländische Malerkolonie gibt ein Buch über Künstler am Schwielowsee heraus
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Schwielowsee - Der jüngsten Publikation des „Fördervereins Havelländische Malerkolonie“ liegt ein Format, ein Verlag und eine Idee zugrunde – die feste und dauerhafte Zugehörigkeit im losen Bund der „Norddeutschen Künstlerkolonien“ von Worpswede bis nach Hiddensee. Bürgermeisterin Kerstin Hoppe jedenfalls gab bei der Taschenbuch-Präsentation am Dienstag in Ferch mit ihrem eindrucksvollen Freudenseufzer kund: „Wir haben es geschafft!“
Nun wartet das kleine, aber feine Büchlein „Havelländische Malerkolonie. Künstler am Schwielowsee um 1900“ am Verkaufstresen vom Kossätenhaus auf reichlich Kundschaft. Es ist ein lang gereiftes Gemeinschaftswerk, schon in den neunziger Jahren bedacht und begonnen, vom Verein mit inhaltlichen und administrativen Kräften immer wieder vorangetrieben, vom Rathaus ermuntert und unterstützt, von „höheren“ Mächten aus Industrie, Finanzwelt und Verwaltung gefördert und gesponsert. Manche Gemeindevertreter haben dem Büchlein zuliebe sogar eine ganze Monats-Diät gespendet. Chapeau, die hohen Herren!
Auf gut 160 Seiten stellt die Autorin Stefanie Krentz den künstlerischen Werdegang dieser herben Landschaft vor. In zweiundzwanzig Kapiteln erzählt sie von stadtflüchtigen Malern und ihren landlebigen Intentionen, von Gemeinschaften und Eigensinn, von Malstilen und Zaubergärten, von den Sesshaften und ihren Gästen. Weil Karl Hagemeister gleichsam der Entdecker dieser weltabgeschiedenen Gegend war, ziert „Weißer Mohn“ aus seiner Hand auch sehr dezent das Titelblatt. Damit kein falsches Bild entstehe, weist Margrit Bröhan in ihrem Vorwort ausdrücklich darauf hin, dass man es im Falle Ferchs nicht unbedingt mit einer „klassischen“ Künstler-Kolonie zu tun habe, sondern mit einer „gestreuten Ansiedlung einer Vielzahl darstellender Künstler“ ohne verbindende Programmatik.
Im ersten Teil erzählt Stefanie Krentz ganz allgemein von der „havelländischen Landschaftsmalerei“, was beim Lesen ganz von selbst zu einem Stück Heimat- und Sozialgeschichte wird. Auch die Fotos von Marie Goslich sind hier goldrichtig! Dann kommen die Namen der ersten und der folgenden Malergenerationen, jeweils geschickt mit einem Thema verknüpft: Hans-Otto Gehrcke, dessen Bilder derzeit im Kossätenhaus ausgestellt sind, findet man unter „Zaubergarten“, Theodor Schinkel unter „Melancholische Landschaften“, Hans Wacker wegen seiner speziellen Umtriebigkeit unter „Kunst und Markt“. Der unvergessene Magnus Zeller ist indes mit dem Kürzel „Stiller Rückzug“ geziert. Die Gründer, Karl Hagemeister und Carl Schuch, erhielten natürlich ihre „Ehrenloge“ gleich zu Beginn des Paperbacks. Wer sich sonst noch besuchs- und gästeweise dazugesellte, Käthe Kollwitz, Max Kaus oder Heinrich Basedow d. J., ist in einem eigenen Abschnitt zu finden.
Rang und Namen erscheinen dann noch einmal am Schluss des klug verfassten Prachtstückes in einer illustrierten Kurzfassung. Bewundernswert, in wie kurzer Zeit wie viele Helfer in Amt oder Ehrenamt die meist unbekannten Lebensläufe von 52 Havelmalern „ausbuddeln“ und darstellen konnten! So erst erkennt man den wahren Glanz, der zu dieser Publikation gehört, die alltägliche Museums-Arbeit vor Ort einberechnet. Willkommen also im Bund der „Norddeutschen“!
Stefanie Krentz: „Havelländische Malerkolonie. Künstler am Schwielowsee um 1900“, Taschenbuch, 14 Euro
Gerold Paul
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