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Potsdam-Mittelmark: Stahnsdorfer Showdown

Sonntag wird der neue Bürgermeister gewählt – die Anforderungen ergeben sich aus dem Profil des Ortes

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Stahnsdorf - Das steckt an: Deutschland sucht sein nächstes Top-Model, castet seinen neuen Superstar, wählt Musical- und Filmdarsteller per Televoting. Selbst Bundestrainer Jogi Löw rekrutierte seinen EM-Kader in einer kleinen Castingshow. Auch in Stahnsdorf ist am Sonntag Showdown: ein neuer Bürgermeister soll gewählt werden. 11 100 Stahnsdorfer sind eingeladen, hinter einem von fünf Kandidaten ihr Kreuz zu machen.

Anders als die geringe Verfallszeit medialer Superstars, nach deren Wahl die nächste Staffel schon programmiert ist, und anders als beim Fußball, wo nach dem Spiel vor dem Spiel ist, wählen die Stahnsdorfer übermorgen ein Stück Zukunft. Acht Jahre wird der neue Gemeindepapst die kommunalen Geschicke maßgeblich in den Händen halten und Entwicklungen mitbestimmen. Hoffentlich! Denn Stahnsdorf braucht nicht nur einen Verwalter. Stahnsdorf braucht einen Visionär, jemanden, der moderiert und dennoch Richtungen vorgibt, einen Macher und Antreiber.

Die Anforderungen an den Bürgermeister ergeben sich aus dem Profil des Ortes. Durch Stahnsdorfs Lage zwischen zwei Metropolen ergeben sich Chancen und Potenziale, aber auch Belastungen und Schwierigkeiten. Ohne Frage hat Stahnsdorf seine Qualitäten als Wohnstandort. Die günstige Lage lockte in den vergangenen Jahren immer mehr Städter in die neuen Wohngebiete des Ortes. Mit den Folgen des Einwohnerzuwachses wird die Kommune – wie auch die gesamte Region – zunehmend konfrontiert: Es werden Schulen, Kindergärten, Sport- und Kulturstätten benötigt. Der Verkehr braucht längst eine durchdachte und kluge Führung. Aus dem Wunsch eines S-Bahnanschlusses wird zunehmend eine Notwendigkeit. Und das Begehren, weitere Areale im Ort zu bebauen, verlangt eine klare Moderation zwischen dem Erhalt der Gartenstadt und dem Versilbern geeigneter Potenziale.

Stahnsdorf hat in den vergangenen Jahren – zurecht – einen Anspruch definiert, nicht nur Wohn- und Schlafstadt zu sein. Das ergibt sich allein aus der Geschichte des Ortes als Industriestandort für Halbleitertechnik. Handwerk und Mittelstand mögen das Rückgrat sein, der Greenpark und das gemeindeeigene Gewerbegebiet bilden das steuer-wirtschaftliche Fundament der Gemeinde. Das hat an Stärke und Dichte gewonnen, doch noch ist es löchrig. Es braucht eine geschickte Vermarktungs- und Ansiedlungspolitik, um weitere Unternehmen nach Stahnsdorf zu holen. Der scheidende Bürgermeister Gerhard Enser (CDU) hatte dabei eine strikte Devise: Nicht um jeden Preis! Statt freie Flächen an den Erstbesten zu verramschen, erklärte er das kommunale Gewerbegebiet zum Techno Park. Der Name soll Programm sein. Wenn Stahnsdorf künftig mit Kleinmachnow und Teltow ein vom Land geförderter wirtschaftlicher Wachstumskern sein will, bedarf es weiter eines klaren Profils, das es auszufüllen gilt. Dafür mag es bislang Schablonen geben, überzeugen wird indes nur konkretes und abgestimmtes Handeln.

Stahnsdorf! Aus dem einzigen, hoch verschuldeten Sorgenkind der Mark ist eine Kommune mit Gestaltungspotenzial geworden. Noch sind nicht alle Alt-Schulden getilgt und treiben die finanziellen Belastungen der gemeindeeigenen Wohnungsgesellschaft jedem verantwortlichen Ortspolitiker Sorgenfalten auf die Stirn. Doch ermöglicht eine solide Kassenlage Stahnsdorf künftig Investitionen, bei denen eine starke Hand des nächsten Bürgermeisters austarieren sollte zwischen notwendigen Standards und überflüssigem Luxus.

Es galt eine zeitlang als geflügeltes Wort in Stahnsdorf: Bürgerkommune. Gerhard Enser hatte es in seiner Anfangszeit oft bemüht. Dann ist es verblasst. In den zurückliegenden Wochen hat es einen neuen Anstrich bekommen – wie immer, wenn Wahlkampf ist. Am Sonntag werden die Wähler in Stahnsdorf ihr Kreuz auch hinter dem Kandidaten machen, von dem sie den Eindruck haben, dass er es ernst meint mit der viel zitierten Bürgernähe und dem sie am ehesten zutrauen, dass er sich auf seine Versprechen besinnt, wenn er sie in der Routine des Alltags aus den Augen verliert. Da wird ein stückweit das Bauchgefühl Pate stehen in der Wahlkabine. Und es wird übermorgen den Parteienwähler geben, der darauf vertraut, dass das Kürzel hinter dem Namen die erforderliche Qualität garantiert. Es wird den Politikverdrossenen geben, der sein Kreuz gern dort macht, wo Unabhängigkeit versprochen wird. Der aufgeklärte Wähler wird den Kandidaten wählen, der die besten Antworten parat hat auf die vielen Fragen, die sich für Stahnsdorf stellen.

Bei fünf Bewerbern ist es unwahrscheinlich, dass schon am Sonntagabend der neue Chef im Rathaus präsentiert wird. Die Entscheidung wird wohl erst die Stichwahl am 22. Juni bringen. Also noch mal drei Wochen ein kleines bisschen Castingshow.

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