Von Tobias Reichelt: Stahnsdorfs Kämmerin schmeißt hin
Kerstin Grohs hat überraschend gekündigt und einen vierseitigen Abschiedsbrief hinterlassen
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Stahnsdorf - Eklat im Stahnsdorfer Rathaus: Die für die Finanzen der Gemeinde zuständige Kämmerin Kerstin Grohs hat ihren Job hingeschmissen. Überraschend verkündete die 28-Jährige am Dienstagabend zum Ende der Haushaltseckdatenklausur ihre Kündigung vor Gemeindevertretern und Bürgermeister. Noch in der Nacht verschickte sie einen vierseitigen „Abschlussbericht“. Darin beklagt sich Grohs über die „mäßige Unterstützung“ ihrer Arbeit und die schlechte Kommunikation innerhalb der Rathausspitze.
„Durch die offensichtliche Verschwiegenheit ist die ordnungsgemäße Ausübung meiner Tätigkeit stark eingeschränkt“, so Grohs in dem Brief, der den PNN vorliegt. Zu oft seien wichtige Informationen nur durch Zufall an sie weitergeleitet worden, andere gar nicht. Beispielhaft sei der Umgang mit anhängigen Arbeitsgerichtsverfahren. Wie berichtet, sollte eine Rathausmitarbeiterin ihren Hut nehmen, unter anderem weil sie 14 Minuten zu früh am Arbeitsplatz erschien. Vor Gericht unterlag die Gemeinde gegen die Mitarbeiterin, Entschädigungen sind fällig – „hierzu liegt mir bis heute keine prüfungssichere Dokumentation vor“, schreibt Grohs. Statt von Vorgesetzten, habe sie Informationen aus der Zeitung erhalten. Zugespitzt könne sie sagen: „Die Linientreuen haben gegenüber den Tüchtigen einen Informationsvorsprung ohne Weitblick für das Gesamte.“
Unzufrieden ist die Kämmerin auch über den von Bürgermeister Bernd Albers (BfB) angekündigten Umbau der Verwaltungsstruktur. Sie habe den Personalrat über Mängel und Kosten des Stellenentwurfsplans 2011 informiert – unter anderem soll Bauamtschefin Ute Börner ihren Platz räumen. Grohs habe angenommen, dass ein ordnungsgemäßes Mitwirkungsverfahren des Rates durchgeführt werde. Stattdessen würden „Mitarbeiterrechte mit Füßen getreten und der Personalrat lässt dies ohne spürbaren Gegenwind zu“, schreibt sie. Grohs will das Rathaus zum 1. November verlassen, ihre Kündigungsfrist läuft bis Ende des Jahres. Erst im Mai 2008 hatte sie den Posten der Kämmerin übernommen
Bürgermeister Albers zeigte sich gestern enttäuscht. „Das sind Behauptungen, die nicht den Tatsachen entsprechen“, sagte er den PNN. Es sei zu respektieren, wenn sich Grohs beruflich verändern wolle. Sie habe immer Unterstützung erfahren, dass sie jetzt „nachkarte“ sei unverständlich. „Ich war jederzeit für sie ansprechbar.“ Albers hätte sich gewünscht, dass Grohs früher auf ihn zugekommen wäre. Ihre Entscheidung sei bedauernswert. Im Rathaus werde nach einer Interimslösung gesucht, bevor die Stelle neu ausgeschrieben werde.
Überrascht zeigte sich auch SPD-Fraktionschef Dietmar Otto: „Ich kenne Kerstin Grohs. Sie ist mit Leib und Seele bei ihrer Arbeit.“ Wenn sie mitten in den Haushaltsverhandlungen hinschmeiße, werfe das Fragen auf. „Wie wird mit den Rathausmitarbeitern umgegangen?“, fragte Otto. CDU-Fraktionschef Claus–Peter Martensen zeigte sich schockiert: „Das ist eine Katastrophe für uns.“ Die Kämmerin sei neben dem Bürgermeister die wichtigste Person im Rathaus. „Albers hat ein erhebliches Personalführungsdefizit“, sagte Martensen. „Es ist schlimm, was da läuft.“
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