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Potsdam-Mittelmark: Stechen statt Stütze

Arbeitslose sollen vermehrt bei Spargelernte helfen – Besuch der Arbeitsagentur im Spargelhof Klaistow

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Beelitz · Klaistow - Ausländische Erntehelfer gelten unter Landwirten gemeinhin als „motivierter und qualifizierter“ als Deutsche, weiß der Klaistower Spargelbauer Ernst-August Winkelmann um Vorurteile, die teils zu Recht bestünden. Trotzdem begrüße er die Vorgabe der Bundesagentur für Arbeit, jeden zehnten ausländischen Erntehelfer durch einen deutschen Arbeitslosen zu ersetzen. An Freiwilligen soll es nicht mangeln, die Bundesagentur habe ihre „Hausaufgaben gemacht“, verkündete BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt gestern bei einem Besuch des Klaistower Spargelhofs Buschmann & Winkelmann.

Bundesweit hätten Agenturen in den vergangenen Wochen und Monaten Arbeitssuchende kontaktiert und auf ihre Fähigkeiten und Bereitschaft zu Erntejobs geprüft. In Gesprächen, Seminaren und mancherorts an Probe-Arbeitstagen konnten sich Interessenten über die Erntetätigkeit informieren. Bislang haben sich laut BA rund 30 000 Freiwillige gemeldet. Sie warten nun in regional geschaffenen Bewerberpools darauf, vermittelt zu werden.

In Potsdam-Mittelmark hat die zuständige Mittelmärkische Arbeitsgemeinschaft für Integration und Arbeit (Maia) die Suche nach Erntehelfern der Personalagentur Agrotime übertragen. Mit der Bilanz des Arbeitsvermittlers zeigte sich Landrat Lothar Koch (SPD) zufrieden: „In unserem Landkreis stehen mit 400 Bewerbern doppelt so viele wie geplant parat.“ 120 konnten bereits an Agrarbetriebe vermittelt werden. Damit sei der von der BA angestrebte Anteil deutscher Erntehelfer zwar noch nicht erreicht, aber „ich bin sicher, dass wir das Soll von 10 Prozent im Saisonverlauf weit übererfüllen werden“, erklärte Koch.

Gewillte und zugleich geeignete Arbeiter zu finden, sei nicht leicht, so Landwirt Winkelmann. Während polnische Arbeitskräfte den Feldeinsatz meist als Zusatzverdienst betrachteten und außerhalb der Saison einer geregelten Arbeit in ihrem Heimatland nachgingen, seien Erntejobs für deutsche Arbeitslose wenig attraktiv. „Viele sind lange aus dem Arbeitsprozess raus und körperliche Anstrengung nicht mehr gewöhnt“, so Winkelmann. „Außerdem gibt es keine Perspektive, nach vier bis acht Wochen sind die Leute wieder arbeitslos.“ Dass die Motivation der Deutschen deshalb „generell geringer“ sei als die der Polen, sei „vollkommen berechtigt“, so der Großbauer.

Deshalb setze die BA bei ihrem Vorhaben auf das Prinzip der Freiwilligkeit und fachlichen Vorbereitung, so Alt. „Es hilft ja niemandem, wenn wir Leute auf“s Feld schicken, die dann nur Spargelragout produzieren oder nach zwei Stunden wieder aufhören.“ Auch Landwirt Winkelmann kennt das Problem: „Wenn jemand nicht motiviert ist, kommt am nächsten Tag eben der Krankenschein.“

Dabei kann es sich durchaus lohnen: Während der Dauer des Einsatzes beziehen die Erntehelfer statt Arbeitslosenunterstützung bei Buschmann & Winkelmann einen Basislohn von 700 Euro. Dieser erhöht sich durch leistungsabhängige Prämien. „Bei uns werden Nettogehälter zwischen 900 und 1400 Euro erzielt“, so Winkelmann. Die Lohnkosten für deutsche Arbeiter lägen dabei in der Regel über denen der ausländischen Kollegen. Allerdings könne sich dies bald ändern: Höhere Sozialversicherungsbeiträge für die polnischen Kräfte könnten im Saisonverlauf zu einem „erheblichen Problem“ für den Betrieb werden.

„Dabei sind wir auf die Polen angewiesen“, betonte er. Auf dem Klaistower Spargelhof werden in diesem Jahr 800 ausländische und 350 inländische Saisonarbeitskräfte beschäftigt. Während auf den Feldern bislang fast ausnahmslos Polen eingesetzt wurden, sind in diesem Jahr auch ein paar Deutsche als Spargelstecher eingeplant. Andrea Röder

Andrea Röder

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