Aus dem GERICHTSSAAL: Stich von hinten in die Schulter
Angeklagter beruft sich nach Messerattacke auf Gedächtnislücken
Stand:
Michendorf/Seddiner See – Als die Polizisten den vermeintlichen Messerstecher in Seddin festnehmen wollten, wurden sie mit erhobener Axt bedroht. Zudem behauptete der Angetrunkene, eine Rockerbande wäre hinter ihm her, wolle ihn umbringen. Auf die Frage, ob er kurz zuvor in Wildenbruch seinem Bekannten Franz F.* einen Stich in die linke Schulter versetzt hatte, vermochte er nicht recht zu antworten. „Der Mann kam mir irgendwie verwirrt vor“, berichtete ein Polizeizeuge vor dem Schöffengericht.
Karsten K.* (43) auf der Anklagebank – kräftig, tätowiert, kleiner Pferdeschwanz – hat keine Erinnerung mehr an den 15. Februar 2007. Laut Anklage forderte der Arbeitslose gegen 17.45 Uhr Geld von Franz F. Weil dieser nichts herausrückte, stattdessen seelenruhig in sein Haus zurückgehen wollte, soll Karsten K. ihn von hinten in die linke Schulter gestochen haben. Zunächst verspürte das Opfer nur einen brennenden Schmerz. Verblüfft drehte es sich um. Darauf soll Karsten K. mit einem Messer vor dem Bauch des Angegriffenen herumgefuchtelt haben. Nun packte Franz F. die Angst. Er händigte dem Angeklagten 70 Euro aus, da er Schlimmeres befürchtete. Karsten K. schwang sich auf sein Motorrad und verschwand. Franz F. wählte den Notruf der Polizei und erklärte, er sei soeben „abgestochen“ worden.
„Wenn das so war, tut es mir leid. Ich kann mich dann nur bei Herrn F. entschuldigen“, erklärte Karsten K. „Ich weiß von dem Tag überhaupt nichts mehr.“ Die Richterin half ihm auf die Sprünge. „Bei ihrer polizeilichen Vernehmung am nächsten Tag haben Sie unter anderem erzählt, Sie hätten nach dem Frühstück ein Buch gelesen und später ein Regal aufgebaut.“ Karsten K. entgegnete: „Ich weiß heute nicht einmal mehr, wie ich von der Polizei wieder nach Hause gekommen bin.“ Dass er an dem bewussten Tag Alkohol konsumierte, dazu Tabletten genommen hatte, war ihm allerdings noch gegenwärtig. Damals habe ich ein- bis zweimal im Monat so viel getrunken, bis ich gedacht habe, jetzt bin ich richtig witzig“, räumte der Angeklagte ein. Doch seit er eine Freundin habe, spiele Bier im Übermaß keine Rolle mehr. Jetzt wolle er auch anderen Problemen zu Leibe rücken, nähme deshalb eine ihm angebotene psychosoziale Beratung wahr.
„Hatte Herr F. Schulden bei Ihnen?“, wollte die Schöffengerichts-Vorsitzende wissen. Karsten K. nickte. „Ungefähr 100 Euro. Ich habe mal für 2,20 Euro die Stunde auf seinem Grundstück gearbeitet. Irgendwann hat er dann nicht mehr gezahlt.“ Anfangs habe er Franz F. gemahnt, sich dann damit abgefunden, den Rest in den Wind schreiben zu müssen.
Franz F. erlitt durch den Stich eine sechs Zentimeter tiefe Wunde. Vier Tage musste er im Potsdamer Bergmann-Klinikum bleiben. Den Polizisten, die ihn am Krankenbett vernehmen wollten, präsentierte er sich sehr zugeknöpft. „Er hatte Angst zu verbluten“, erinnerte sich eine als Zeugin gehörte Beamtin. Aber er habe den Angeklagten eindeutig als Täter identifiziert.
Die Verhandlung wird am 15. Dezember mit der Vernehmung des Opfers sowie dem psychiatrischen Gutachten fortgesetzt. Dann soll auch das Urteil gesprochen werden. (*Namen geändert.) Hoga
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