zum Hauptinhalt

Potsdam-Mittelmark: Stillhalten für die Ewigkeit

Wie in Michendorf Totenmasken entstehen

Stand:

Wie in Michendorf Totenmasken entstehen Michendorf - Eine Stunde still halten – Tote können es noch länger. Trotzdem nimmt Thorsten Heiden seine Original-Masken lieber von Lebenden ab. Seit Oktober vorigen Jahres wirbt der Michendorfer Bestattungs-Fuhrunternehmer für einen besonderen Service: Das letzte Porträt aus Bronze oder Gips. Doch das Geschäft mit den Totenmasken entwickelt sich anders als erwartet. „Viele möchten ihre Nächsten in Erinnerung behalten, wie sie noch lebten.“ Und mancher, wie gerade eine Frau aus der Potsdamer Waldstadt, möchte einfach statt Fotos Gipsreliefs der Familie im Flur. „Die Dame spart immer bis zum nächsten Relief und schenkt es sich dann zum Geburtstag.“ Und doch: Die echte Totenmaske ist wichtige Säule des Unternehmens. Die Tradition ist uralt. Wie Zaren, Könige und Pharaonen jenseits des Kunstideals wirklich ausgesehen haben, weiß man nicht zuletzt durch Gesichtsabdrücke. Auch Luther, Goethe, Kant oder Wagner wurden so ins historische Gedächtnis graviert. In manchen Gesellschaftsschichten waren die Bronzepositive auch als Gruftschmuck in Mode. Der Philosoph Ernst Benkard bezeichnete die Totenmaske als „Symbol, dass der Tod zwar die Menschen trennt, aber ihre innere Verbundenheit niemals lösen kann“. Selbst Mooshammer hatte vor seinem unerwarteten Tod einen Termin bei einem Münchner Kollegen Thorsten Heidens gemacht. Heiden, der mit seinen zwei Angestellten als Auftragnehmer für Bestattungsunternehmen fährt, kam durch gelegentliche Nachfragen Angehöriger auf den Gedanken. Etwa 150 Unternehmer aus dem deutschen Bestattungswesen bieten Totenmasken an. Viele von ihnen haben eine Weiterbildung bei der Solinger Firma Körper & Form gemacht, auch Thorsten Heiden. „Ich hatte festgestellt, dass es im ganzen Berliner Raum niemanden gibt, der sich um solche Wünsche kümmert.“ In der Zeitung las er von den Seminaren in Solingen – und meldete sich an. Die Technik ist einfach und – wie Heiden betont – hautverträglich. Ein Spezialsilikon wird auf das Gesicht aufgetragen, Haare mit Folie geschützt. Die Nasenlöcher bleiben frei – damit gebenenfalls geatmet werden kann. Auf dem getrockneten Negativ sieht man jede Pore. Die Silikonform wird mit Gips ausgegossen, das fertige Gipspositiv nachbearbeitet. Manchmal werden die Haare nachgefertigt – und es können sogar Augen geöffnet werden. Bronzereliefs sind aufwändiger: Silikonnegativ, Wachspositiv, Gipsnegativ, Bronze. 24 Stunden Arbeit kostet das – und 1500 Euro. Heidens Gipsrelief ist mit 600 Euro günstiger. „Die meisten Kunden wollen auch Gips“, sagt er. Etwa zwei Masken fertigt Thorsten Heiden pro Monat an. Es gab auch Kunden, die Omas zarte Hand noch streicheln wollten. Auch solche Ergänzungen sind in der Geschichte der Totenmaske nicht neu. Für Heiden ist die Technik nicht unbedingt an den Verlust eines Mitmenschen gebunden. Im Gegenteil: Derzeit macht er Versuche mit Babyfüßen, sein ganzes familiäres Umfeld kam schon an die Reihe. „Hebammen verewigen die Fußsohlen von Kleinkindern mit Tinte auf einem Blatt Papier“, sagt Heiden. Er habe die Erinnerungstechnik mit Hilfe seines Spezialsilikons nur etwas verfeinert. Schwierigkeit: Die Babys wollen partout nicht stillhalten. Henry Klix Am 18. September (Tag des Friedhofs) wir Thorsten Heiden am Friedhof Goethestraße in Babelsberg um 13 Uhr live vor der Kapelle einen Abdruck nehmen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })