Potsdam-Mittelmark: Strafrecht mit Hänsel und Gretel
Schnupper-Uni am Michendorfer Wolkenberg-Gymnasium: Orientierung und Wahlhilfe
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Michendorf - Der Gong schrillt eindringlich: Pausen-Zeit. Doch niemand verlässt seinen Platz, niemand wird unruhig. Heute besitzt das Klingeln nicht die magische Kraft, die es an gewöhnlichen Tagen hat. Kein Wunder: Über Studenten hat die Schulglocke keine Macht. Und genau das sind die Schüler der Oberstufe heute: Schnupperstudenten. Am Tag der Wissenschaften hat sich das Wolkenberg-Gymnasium in Michendorf in eine Hochschule verwandelt. Die Schulräume sind heute Hörsäle, Referenten aus verschiedensten Instituten treten anstelle der Lehrer. In zwei Blöcken, um 8.30 und 11 Uhr, gibt es statt Mathe- und Deutschunterricht Vorlesungen in Strafrecht, Biotechnik und Elektronik.
Im Raum E03 sind die Vorhänge zugezogen. Der einzige helle Fleck ist die Wand, auf die der Beamer die Power Point Präsentation projiziert. Dr. Andreas Busjahn vom Biotechnologieverbund Berlin-Brandenburg referiert über Zwillinge in der Gesundheitsforschung. Obwohl das Fachgebiet des Vortrags – Molekulargenetik – ziemlich komplex ist, folgen alle 30 Augenpaare aufmerksam dem Referat.
Ein Stockwerk höher arbeitet Julia Schälicke (17) gemeinsam mit ihrem Team einen Stapel Arbeitsblätter durch. Zusammen mit etwa 20 weiteren Schülern hat sich die Zwölftklässlerin für das Thema „Englisch in der Werbung“ entschieden. Die Referentin Anke Köhler (28) ist Dozentin für die Didaktik der Englischen Sprache an der Universität Potsdam und hat ihren Kurs möglichst Studium-getreu gestaltet. Die Inhalte seien zwar auf das Schulniveau angepasst, ansonsten ähnele er aber einem echten Seminar, erzählt sie. Schnupperstudium findet Anke Köhler sehr wichtig. „Man darf die Schüler aber nicht einfach auf eine Universität schicken“, sagt sie. „Ohne Grundlagen sind sie verwirrt und verstehen nichts.“ Veranstaltungen wie die heutige seien dazu besser geeignet. Auch Julia findet den Tag der Wissenschaft sinnvoll. „Besonders die Studienberatung hat mir viel gebracht“, sagt sie.
Aufs Studium vorbereiten, das ist nämlich das zweite Ziel der Veranstaltung. Vorträge über Studienangebote in der Region sind heiß begehrt. Als die Studenten der Universität Potsdam über die Bewerbung, die Finanzierung und das Leben auf dem Campus erzählen, lauschen alle Schüler gebannt: Schließlich wird das bald auch ihr Alltag sein. Vielleicht fällt der eine oder andere schon heute seine Entscheidung.
Thomas Bode, Dozent an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt-Oder, wirbt kräftig für seine Fakultät. In seinem Kurs simulieren die Schüler eine Gerichtsverhandlung: Hänsel und Gretel sitzen auf der Anklagebank und müssen sich für den Mord an der Hexe und den Diebstahl von Lebkuchen verantworten. Einen Vorgeschmack auf Strafrecht soll der imitierte Prozess geben. „Wenn die Schüler nicht zur Uni kommen, kommt die Uni zur Schule“, sagt Bode. Solche Projekttage seien unerlässlich, damit sich die Schüler nicht im Studiengang „verwählen“.
Tobias Staff (17) ist sich noch im Unklaren, was er später machen will. Er weiß auch noch nicht, ob er überhaupt studiert. Heute hat er einen Vortrag über Aale und einen über Hautersatz angehört. „Sie waren ein bisschen zu speziell“, sagt der Elftklässler. Trotzdem sollte es mehr solche Tage geben. „Sie geben ein Bild, wie man sich das Studium vorstellen muss.“Wlada Kolosowa
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