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Glindow bereitet sich auf 700-Jahr-Feier vor: Streiflichter aus der Geschichte Glindows

Die Landwirtschaft war in früheren Jahren wichtiger als das Private: Im „Glindower Almanach“ sind bald Geschichten zum 700. Geburtstag der Gemeinde nachzulesen.

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Es sind die Zugezogenen, die sich oftmals intensiv mit der Geschichte ihrer neuen Heimat befassen. So war es auch bei Edelgard Baatz, die in den 1970er-Jahren von Bergholz nach Glindow zog, der Liebe wegen. Wenn im Frühjahr, anlässlich des 700. Ortsjubiläums das „Glindower Almanach“ erscheint, wird auch ihre Geschichte darin zu finden sein. Baatz arbeitet im Redaktionsteam mit und hat auch die Geschichten anderer Glindower aufgeschrieben, um sie für kommende Generationen zu bewahren. Zu den einprägsamsten Erinnerungen ihrer ersten Jahre gehörten fünf Fleischer und fünf Bäcker im Ort, dazu ein Fahrradladen und ein Geschäft für den täglichen Bedarf. „Herrlich war das, hatten wir doch damals in Bergholz nur einen Bäcker und einen Fleischer“, erzählt sie.

Geradezu bescheiden ging es dagegen im Privaten zu: „Pumpe auf dem Hof, Donnerbalken im Garten“. Und auf Nachfrage erklärte man der jungen Frau: „Hast doch zwei Beine!“. Wasser war eben vor allem wichtig für den Acker. Der Acker, das zählte, und es galt über Jahrhunderte eine Übereinkunft für die Nachkommen, dass „Acker zu Acker und Wiese zu Wiese“ kommen müsse. So wurden noch bis Mitte des letzten Jahrhunderts oftmals Cousin und Cousine verheiratet. „Meine Schwiegermutter war das erste fremde Blut in der Baatz-Sippe, sie war aus Belzig und arbeitete an der Tankstelle“, erzählt Edelgard Baatz. Wie in Werder wurde auch in Glindow Obstbau betrieben und die Ernte in Berlin verkauft. Dazu nutzten die Glindower gleichfalls die Wasserwege über die Havel, auf der auch die Glindower Ziegel transportiert wurden. Deren Produktion reicht weit zurück in die Zeit, in der die Zisterzienser-Mönche ihre Klöster bauten. Schon der Ortsname Glindow – erstmals erwähnt in einer Urkunde des Markgrafen Waldemar im Jahre 1317 – lautete ursprünglich Glina, was im Slawischen Ton oder Lehm bedeutete.

Über die Ziegelherstellung, die Theodor Fontane einst eine „frondiensthafte Tätigkeit“ nannte, ist im Glindower Heimatmuseum zu erfahren, dass zwischen 1830 bis 1910 rund 23 Billionen Ziegel über Wasserwege in die umliegenden Städte verschifft wurden. Spuren des Tonabbaues sind noch heute die Abraumhalden, die sogenannten „Glindower Alpen“. Die Familien der Ziegelarbeiter wohnten in Büdnerhäusern. Auch das Heimatmuseum im Kiez 3 ist ein Büdnerhaus, das die letzte Eigentümerin, Anneliese Koch, der Gemeinde schenkte und das heute unter Denkmalschutz steht. Eine besondere Attraktion ist die im Urzustand erhaltene „verrußte schwarze Küche“, in der einst auf offenem Feuer gekocht und gebraten wurde.

Neben Obstbau und Ziegelindustrie gab es Fischerei und Braugewerbe, ähnlich wie in Werder. Auch die doppelten Tore vor dem Gehöft gab es im Nachbarort Glindow, um Einblicken von Nachbarn oder anderen Neugierigen vorzubeugen. Sogar die Anordnung der Erdbeerpflanzen war ein Geheimnis. Doch trotz vieler Gemeinsamkeiten wurde viel Wert auf Abgrenzung zwischen Werder und Glindow gelegt. „Wohl aus Konkurrenzgründen“, glaubt Edelgard Baatz. So heißt es auch in der Chronik „Ernsthafte Beyträge zur Geschichte der Stadt Werder“ über den sogenannten Sauberg, der auf „Werderschem Grund und Boden liegt, gehört mit Fug und Recht zur Stadt und können selbige Ackerleute ihn gebrauchen nach ihrem Gefallen“. Also trieben die Werderaner ihre Sauen zum Hüten auf den Berg. Als dann vor rund 300 Jahren der Glindower Krüger den Sauberg bestellte „mit Getreyde, und maßte sich denselben an ohne Titulum Justum“, kam es zu einem jahrelangen Streit, den der Preußenkönig schließlich schlichten musste.

Trotz Eingemeindung ist die Unabhängigkeit von den Stadtnachbarn den Glindowern wichtig, wie Fred Witschel berichtet, der gleichfalls in der Redaktion für das Almanach mitarbeitet. So gibt es im Ort ein eigenes Brauchwasserwerk, das Wasser aus dem Glindower See auf die Plantagen pumpt, damit bei der Kirschernte „mehr als nur Pelle und Kern“ reinkommt. Allerdings ist das in den 1930er-Jahren erbaute Wasserwerk inzwischen marode, da es zu DDR-Zeiten auf Verschleiß betrieben wurde. Bei seiner Errichtung galt es als das modernste seiner Zeit und erhielt 1932 den 2. Platz auf der Pariser Weltausstellung, berichtet Witschel. Jetzt soll es einen neuen Betreiber geben, der das Werk sanieren will.

Mit dem neuen Almanach, das unter dem Titel „Überliefertes. Verbrieftes. Streiflichter – aus der 700-jährigen Geschichte Glindows“ erscheint, soll der Leser nicht nur einen Blick in die Geschichte bekommen, „sondern sich selbst als Teil dieser Geschichte fühlen“, so Witschel.

Kirsten Graulich

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