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Von Kirsten Graulich: Studieren auf dem Südwestkirchhof

Studenten der Fachhochschule Potsdam dokumentieren wertvolle Kulturdenmäler

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Stahnsdorf – Martina Abri weilte gerade zu einem Forschungsprojekt in Samarkand, um dort historische Grabmäler zu sanieren, als ihre Kollegin Tjalda Eschebach ihr von monumentalen Grabbauten auf dem Stahnsdorfer Südwestkirchhof berichtete. Sie folgte der dringlichen Bitte, sich die Mausoleen und Grabmäler anzuschauen. „Ich war sofort verliebt“, erinnert sich die Professorin für Denkmalpflege, die mit Tjalda Eschbach an der Fachhochschule Potsdam Architektur und Städtebau lehrt. Vor allem die beiden Mausoleen der Familien Caspary und Harteneck hatten es ihr angetan. Auf Anhieb konnten auch 32 Studenten für das Projekt begeistert werden, den baulichen Zustand der Kulturdenkmäler zu dokumentieren.

Seit Oktober letzten Jahres sind die Studenten Partner des Fördervereins des Südwestkirchhofes und präsentierten kürzlich ihre ersten Ergebnisse, die sich neben baulichen Bestandsaufnahmen auch auf Überlegungen zum Erhalt der monumentalen Bauten konzentrieren. Beim Mausoleum der Industriellen-Familie Harteneck, das in unmittelbarer Nähe der Kapelle steht, waren es vor allem die ägyptischen Elemente, die die Studenten faszinierten. Die Begeisterung der Europäer für Ägypten begann vermutlich im 19. Jahrhundert als Folge von Napoleons Ägyptenfeldzug (1798 bis 1801), den seinerzeit auch Gelehrte und Ingenieure begleiteten, um Kultur und Bauten zu dokumentieren. Das Stahnsdorfer Grabmal ließ sich der Chemiefabrikant Albert Harteneck im Jahre 1913 vom Architekten Adolf Wollenberg errichten.

Hinter einer schweren Metalltür thront auf einem erhöhten Sockel die Totenmaske eines Pharaos, umfangen von Schlangen, dem Schutz-Symbol. Durch das Dach ergießt sich Sonnenlicht in den Raum, links über einer Steinbank befindet sich ein ovales Fenster mit blauen Scheiben. Einst strahlte auch Licht durch bernsteinfarbene Scheiben in diesen Altarraum. „Eine sensible und gelungene Inszenierung“, verweist Martina Abri begeistert auf Details wie Lotusblüten, die sich oberhalb um Säulen ranken und auf Scheintüren, die den Übergang ins Jenseits symbolisieren. Der Boden über der Gruft ist aus Glasfliesen, durch die man hinab auf den Sarkopharg schauen kann. Dorthin führt eine schmale eiserne Wendeltreppe in einen Raum, der mit dunkelroten und schwarzen Fliesen ausgestattet ist. Der schwere Steindeckel des Sarkophags wurde etwas zur Seite gerückt – Grabräuber hatten hier in den 80er Jahren vergeblich nach Schätzen gesucht. Auch Feuchtigkeit hat dem Bau in den vergangenen Jahren zugesetzt, an der Decke hängen kleine Tropfsteine. Ein Schadensbild des Grabmals haben die Studenten bereits erstellt, ebenso die ersten Notsicherungsmaßnahmen durchgeführt und ein Konservierungskonzept erarbeitet.

Auch das nur wenige Meter entfernt liegende Grabmal der Familie Caspary ist ein repräsentativer Bau, der im Gruftbereich Feuchtigkeitsschäden aufweist. Allerdings ist das Deckenmosaik des Mausoleums noch in einem guten Zustand, ebenso die Skulptur einer Trauernden, geschaffen vom Münchner Künstler Heinrich Wadere. 1911 hatten die Berliner Architekten Mohr und Weidner die Grabstätte im Auftrag der Familie Caspary erbaut. Die Bestandsaufnahme an diesem Mausoleum ist noch nicht abgeschlossen. Die Begeisterung der beiden Dozentinnen hat sich auf die Studenten übertragen: „Wir steigen mit diesem Projekt viel tiefer in die Baugeschichte ein“, sagte einer von ihnen. Zudem sind sie froh, dass ihre Arbeiten nicht in irgendwelchen Schubfächern verschwinden, sondern gebraucht werden. Der Förderverein will im Herbst die ersten Daten im Internet veröffentlichen.

Kirsten Graulich

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