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Potsdam-Mittelmark: Tackling in den eigenen Reihen

Im FOCUS wirft Bildungsminister Steffen Reiche seinen Kleinmachnower SPD-Genossen Blockade am Seeberg vor

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Im FOCUS wirft Bildungsminister Steffen Reiche seinen Kleinmachnower SPD-Genossen Blockade am Seeberg vor Von Peter Könnicke Kleinmachnow. Demontiert sich die märkische SPD nach Stimmungstief und Wahlschlappen nun auch selbst? In einem aktuellen FOCUS-Beitrag über die Hängepartie der Internationalen Schule auf dem Seeberg beschimpft Landes-Bildungsminister Steffen Reiche den Kleinmachnower SPD-Ortschef Jens Klocksin als „schlimmsten Verhinderer“. Dem SPD-Bürgermeister Wolfgang Blasig wirft Reiche einen Mangel an Führungsqualitäten vor. „Unter Zwangsverwaltung müsste man die stellen“, wird der Minister in seinem vermeintlichen Ärger über die ungelösten Probleme zitiert. Seit Jahren ist es nicht gelungen, einen Kompromiss zwischen Gemeinde und der Deutschen Telekom bei der Entwicklung des Seeberges zu finden und die Idee eines Bildungscampus zu verwirklichen. Reiches Zitate sind politischer Sprengstoff. Die Mine geht ausgerechnet im Super-Wahlkreis hoch, wo Klocksin im Herbst gegen CDU-Landeschef und Innenminister Jörg Schönbohm um das Direktmandat für den neuen Landtag kämpft. In den vergangenen Wochen hat sich Klocksin für seine Landtags-Ambitionen Rückendeckung an der sozialdemokratischen Basis geholt: die vier Ortsverbände des Wahlkreises nominierten ihn mit deutlichen Mehrheiten als ihren Kandidaten. Mit Genugtuung wurde registriert: Die Reihen sind geschlossen. Nun grätscht der SPD-Minister den um festen Stand bemühten Genossen heftig zwischen die Beine. Bei den Kommunalwahlen im vergangenen Oktober blieb Kleinmachnow der einzige Ort, in dem sich die SPD als stärkste Fraktion behaupten konnte. Vor zweieinhalb Jahre feierte Wolfgang Blasig trotz zweier Gegenkandidaten auf Anhieb die Wiederwahl als Bürgermeister. Er gilt als charismatisch, ehrgeizig und selbstbewusst, aber auch als unbequem. Sein Name fällt, wenn über die Nachfolge von SPD-Landrat Lothar Koch spekuliert wird. Dass Reiche ausgerechnet am Lack der letzten verbliebenen roten Hochburg kratzt, wird in allen politischen Lagern aufmerksam registriert. Gegenüber Blasig und Klocksin habe Reiche beteuert, falsch zitiert worden zu sein. Doch der FOCUS-Beitrag macht eifrig die Runde, die Kopie geht von Hand zu Hand, quillt aus etlichen Faxgeräten. „Der Schaden ist da“, ärgert sich Blasig. „Wenn man mit Journalisten Hintergrundgespräche führt, muss man sie kennen“, grantelt der Bürgermeister. Seine Empfehlung ist durchaus doppelsinnig. Zum einen scheint es Reiche versäumt zu haben, der FOCUS-Autorin nachhaltig ans Herz zu legen, die Frontalangriffe auf seine Genossen nicht zu zitieren. Zum anderen könne der Minister die Hintergründe um den Seeberg bei weitem nicht so bewerten, wie die Beteiligten vor Ort. „Baurecht und Konsens lassen sich nicht befehlen“ wehrt sich Blasig gegen Reiches erhobenen Zeigefinger. Was unter dem Blick des FOCUS ein „verwilderter Hügel“ ist, bedeutet immer mehr Kleinmachnowern der letzte geschlossene Grünzug in einer zersiedelten Landschaft. Es ist eines der letzten Schlachtfelder, auf dem im Kampf um Erhalt von Lebensqualität gewonnen werden will. Freilich verlangt das Areal nach Gestaltung, doch ist der Streit nach dem Wie legitim. Daher ist die – durch Reiches Genossen-Schelte quasi unterstrichene – Darstellung einer unwilligen Allianz aus „Genossen, Altkommunisten und Grüne“, die eine Bebauung des Seebergs und die Entwicklung der Internationalen Schule blockieren würden, alles andere als ausgewogen. Sicher: Acht Jahre nachdem der Telekom der Seeberg ins Grundbuch geschrieben wurde, gibt es noch immer keine Lösung, wie die 44 Hektar mit den denkmalwürdigen Bauten der einstigen Reichspost genutzt werden können. Doch ist die kritische Haltung der Gemeindevertreter gegenüber den Bebauungsplänen der Telekom das Spiegelbild einer breiten Einwohnerschaft. Die Allianz „Pro Seeberg“ lässt sich nicht auf ein Häuflein Unverbesserlicher und Alternativer reduzieren. Vielmehr gibt sie den gesellschaftlichen Querschnitt Kleinmachnows wieder. Es ist richtig: Klocksin gilt als Hardliner – bei Parlamentskollegen, bei den Schulen auf dem Seeberg, bei den Planern der Telekom. Er ist streitbar und nicht jedermanns Freund. Doch bemüht er sich wie kaum ein anderer um Kontakte aller Beteiligten. Dass der Seeberg nicht zwischen die Fronten des Kommunalwahlkampfes geriet, ist auch ein Verdienst des SPD-Ortschef. Und dass sich in Kürze ein Sonderausschuss des Ortsparlamentes konstituiert, der die Seeberg-Frage bis zum Sommer lösen will, ist auf das Engagement Klocksins zurückzuführen. Der wähnt Kleinmachnow auf „gutem Weg, die kommunale Angelegenheit im Konsens mit Nutzern und dem Eigentümer des Seebergs zu klären“. Gleichwohl knüpft er zwangsläufig sein politisches Schicksal an den Erfolg des Seeberg-Ausschusses: Gibt es im Sommer eine Lösung, geht Klocksin mit einem Bonus ins Wahlkampffinale. Daher ist er eher zu Bewegung als zu Blockade verpflichtet. So lässt ihn Reiches Attacke allenthalben „ungläubig erstaunen“, beschädigt sieht er sich nicht. In Schwierigkeiten könnte wohl eher Reiche geraten. Dem Vernehmen nach ist SPD-Landeschef Matthias Platzeck höchst verärgert über die Verbalattacken des Ministers. Dass das ohnehin lädierte Band zwischen Reiche und den Kleinmachnower Genossen, die den größten SPD-Ortsverband im Land stellen, einen weiteren Riss erhalten hat, dürfte im Wahljahr kaum gefallen.

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