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Potsdam-Mittelmark: Tagesmütter bangen um ihren Job

Bei Plänen zur Steuerpflicht will neuer Kreisverband um sozial verträgliche Lösungen kämpfen

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Teltow - Das Aufatmen war spürbar. Tagesmütter brauchen zunächst auch weiterhin keine Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Die Finanzminister der Länder haben die geplante Steuerpflicht für Tagesmütter verschoben und wollen bis 30. Juni nächsten Jahres mit den Sozialministern in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe eine Lösung finden.

„Aber Ruhe zum Zurücklehnen haben wir dadurch nicht“, meint Christina Schulz-Heidorf. Die Teltower Tagesmutter hält es für dringend notwendig, die ministerielle Arbeitsgruppe „intensiv zu begleiten“, so dass unterm Strich eine sozial verträgliche Lösung steht. Denn wäre die Steuerpflicht wie geplant beschlossen worden, hätten viele Tagesmütter Einbußen hinnehmen oder ihre Arbeit aufgeben müssen.

Um maßgeblich Einfluss nehmen zu können, will Schulz-Heidorf jetzt einen Kreisverband für Tagesmütter in Potsdam-Mittelmark gründen. Darin sollen nicht nur Tagesmütter und -väter organisiert sein, sondern auch Politiker und Fachleute wie Juristen. Derzeit gibt es im Landkreis lediglich eine Arbeitsgruppe, in der zwölf Tagesmütter vertreten sind. Neben Einflussnahme soll der Verband auch für bessere Informationen sorgen. Denn bislang konnte kaum jemand über die Folgen und Modalitäten der Neuregelung bei der Steuerpflicht aufklären. „Weder Versicherungen, noch Behörden oder Ämter konnten ausreichend informieren“, beklagt Schulz-Heidorf.

Nach der neuen Regelung sollen Tagesmütter als Freiberufler eingestuft werden. Tagesmütter, die auf den Listen von Jugendämtern stehen und so quasi über öffentliche Träger vermittelt werden, verbuchen bislang kein Einkommen, sondern eine steuerfreie Aufwandsentschädigung vom Amt. Privat engagierte Tagesmütter müssen hingegen schon heute ihr Einkommen versteuern. Das Bundesfinanzminsiterium sieht darin eine Ungleichbehandlung und strebt eine Steuer- und Beitragsregelung für alle Tagesmütter an.

Steuerzahlungen wären dabei das kleinere Übel, da die Einkommen der Tagesmütter – der Stundenlohn liegt bei 3 bis 4 Euro – ohnehin unterhalb der Besteuergrenzen liegen. Makaber findet es Schulz-Heidorf ohnehin, vom Jugendamt gezahlte Aufwandsentschädigungen für Miete, Strom, Gas, Wasser oder Spielzeug sowie das Honorar für die Erziehungsleistung versteuern zu sollen. Zudem sei es „politisch brisant, als freiberuflich Selbstständige zu gelten und dennoch nur für einen Arbeitgeber – das Jugendamt – zu arbeiten. „Früher nannte man das Scheinselbständigkeit“, so die Teltowerin. Jetzt soll es als Rechtfertigung für Steuerzahlungen gelten.

Ein weitaus größeres Problem würden aber die Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung darstellen. Bisher sind Tagesmütter meist über die Kassen ihrer Ehemänner versichert. Der Paritätische Wohlfahrtsverband rechnet mit 200 bis 300 Euro im Monat, die Tagesmütter zu zahlen hätten, wenn die neue Regelung in Kraft tritt. „Das kann kaum einer leisten“, prophezeit Schulz-Heidorf. Zumal in Potsdam-Mittelmark seit Beginn dieses Jahres Tagesmütter bereits finanzielle Einbußen bis zu 500 Euro monatlich hinnehmen mussten, nachdem die Finanzierung für öffentlich geförderte Kindertagespflege neu geordnet wurde. Um überhaupt etwas zu verdienen, mache eine Betreuung ab fünf Kinder überhaupt erst Sinn. Komme die Steuerpflicht und man betreut vielleicht nur zwei Kinder, „müssen wir noch Geld mitbringen, um die Abgaben zu zahlen“, so Schulz-Heidorf. „Dann würde sich unsere Tätigkeit nicht mehr lohnen.“

200 Tagesmütter und -väter gibt es in Brandenburg, die hauptsächlich Kinder zwischen null und drei Jahren betreuen. „Ohne sozial verträgliche Lösungen bricht eine wichtige Säule in der Kinderbetreuung weg“, warnt Schulz-Heidorf. pek

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