KulTOUR: Tanzende Geister Vokalensemble „St. Matthäus“ in Petzow
Schwielowsee - „Steinerne Dichtung im Blütendickicht! Rings neigt die Linde niedrige Zweige.
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Schwielowsee - „Steinerne Dichtung im Blütendickicht! Rings neigt die Linde niedrige Zweige. Hymnischer Gruß ew’ger Schönheit, frohlockend im hohen Bogen“, heißt es ziemlich pathetisch in Leos Janaceks „Belvedere“ aus den „Hradschiner Liedern“. Die Urenkelin von König Jagellos (litauisch-polnischer Sieger über den Deutschen Orden bei Tannenberg) selbst griff hier in die Saiten der Harfe, „Königin, wo bist du geblieben?“.
Dieses schöne Lied vom Ende Prags war am Sonntag Teil eines bewegenden wie belebenden Konzertes des Berliner Frauen-Vokalensembles „St. Matthäus“ auf Petzows Grelleberg, Musik zur Harfe für bis zu acht Stimmen. Im Namen des Kulturforums Schwielowsee lud Lothar Knappe auch in eigener Sache in die Schinkelkirche. Schönes Sommerwetter verhinderte ein volles Haus, das änderte nichts an der Qualität dessen, was die doppelt besetzten Stimmen unter seiner Leitung da (trotz einiger Schwächen) an neuerer Musik aus dem 19. und 20. Jahrhundert vortrugen.
Vor drei Jahren unter dem Dach der Evangelischen Kirche gegründet, ist das Ensemble flexibel genug, spezielle Programme für einzelne Begleit-Instrumente – vom braven Choral bis zur atonalen Kompositionsart – zusammenzustellen. Hier also die Harfe, das königliche Instrument der zarten Frauen-Natur. Katharina Hanstedt beherrscht es mit traumhafter Sicherheit wie eine Königin. Am deutlichsten im Solo zu Strindbergs „Gespenstersonate“ von Ture Rangström (1884-1947) zu hören, da war’s, als ob die Geister tanzen wollten.
Freilich machte Zoltán Kodály (1882-1967) mit „Wainamoinen makes music“ den Anfang, finnischer Orpheus aus dem Nationalepos Kalevala, dessen Instrument jedes Ding bannte. In Petzow begannen zwar die Steine nicht zu singen, aber es war viel Kraft in diesem vierstimmigen Werk, leider auch zu laute Tutti. Petr Ebens (1929-2007) „Griechisches Wörterbuch“ mit dem Inventar fast orphischer Worte ist unerhörte Tonkunst: Stolz, Tugend, Liebe und Schmerz bekommen bei ihm einen streng archaischen Klang, das Stück über den Tod besteht nur aus den Worten „O Thanatos“, Bettina Distelmeyer interpretierte sie mit tiefer Stimmlage grandios. Zusammen mit Constanze Kämpfe war sie im zweiten Alt besetzt, Judith Förner und Carola Schönherr gaben den ersten. Nikola Gericke und Heike Scheel ihrerseits im ersten Sopran, Veronika Böhle und Stephanie Rupp im zweiten.
Petr Ebens Geniestreich indes zeigt, wie nahe das moderne Komponieren den Wurzeln der Tonkunst kommen kann. Frauen mit Harfen sind eben immer eine gute Partie. Lobenswert die Auswahl der hochkarätigen Literatur und ihre größtenteils gute Bewältigung! Nach Nikolai Rimski-Korsakoffs „Letzter Wolke des Sturms“ (A Capella mit Entrückung!) folgten zum Abschluss vier schwer esoterische Hymnen von Gustav Holst (1874-1934) aus den Veden der Hindus, in Anlage und Ausdruck wieder den Griechen verwandt. Was hörte man, wenn nicht unter verschiedenen Namen gesungene Orphik und Prophetie dieser Welt aus berufenen weiblichen Kehlen?
Gerold Paul
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