Potsdam-Mittelmark: Teltower Gastfreundschaft
Flüchtlingen wird viel Hilfe angeboten, doch nicht alle in der Stadt empfangen sie mit offenen Armen
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Teltow - Schränke werden eingeräumt und Betten bezogen. Teltows neues Asylbewerberheim füllt sich von Woche zu Woche. Seit Anfang Februar leben die ersten von insgesamt 198 Flüchtlingen im größten Heim des Landkreises in der Iserstraße. Sie bringen ihre Kultur, ihre Religion und ihre Traditionen mit in die Stadt. Viele, aber nicht alle Teltower empfangen die Gäste mit offenen Armen: So gingen im Rathaus seit Bekanntwerden der Eröffnung bereits mehrere boshafte E-Mails ein. Für Verwunderung sorgten in der Nachbarschaft zudem Flugblätter, auf denen Zeitungsartikel über das Heim kopiert waren. Ob die Verteilaktion in der Wohnsiedlung und die Schreiben an das Rathaus einen fremdenfeindlichen Hintergrund haben, ist noch unklar.
„Es gab derartige emotional geprägte Korrespondenzen“, bestätigte Rathaussprecherin Andrea Neumann auf Anfrage gegenüber den PNN. „Es bleibt aber festzustellen, dass es im Verhältnis dazu weitaus mehr Briefe und Mails gab, in denen sich Bürger und Initiativen kooperativ und hilfsbereit zeigten und ihre Unterstützung angeboten haben.“ So habe es seitens des Rathauses bereits viele Gespräche mit Vereinen, Verbänden, der Kirche und auch Privatpersonen gegeben. Eine „Willkommens-AG“ soll die Hilfe koordinieren. Den Schreibern der E-Mails habe man indes sachlich und bestimmt geantwortet: „Das Rathaus lehnt jede Form von Ausländerfeindlichkeit ab, zumal es sich bei den Asylbewerbern ausnahmslos um Flüchtlinge aus anerkannten Krisengebieten handelt, die definitiv Hilfe benötigen.“ Anlass, die Polizei einzuschalten, habe es nicht gegeben.
Auch Axel Sander, Revierleiter der Polizei in Teltow, schätzt die Lage am Heim als sicher ein. „Zurzeit sind keinerlei Aktionen gegen das Asylheim polizeibekannt.“ Proteste vor dem Heim habe es nicht gegeben. Regelmäßig stehe man mit dem Heimkoordinator und dem Sicherheitsdienst im Haus in Kontakt.
Dass die Eröffnung des Flüchtlingsheims nicht reibungslos abgeht, damit hatte Conrad Wilitzki, Sprecher des Netzwerks Tolerantes Teltow, gerechnet. Die Flüchtlinge fielen vielen Teltowern auf. „Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass es zu Übergriffen oder Anschlägen kommen würde.“ Was die Flugblattverteiler mit den kopierten Zeitungsartikeln erreichen wollten, sei unklar. „Die Zettel waren nicht mit Parolen oder Schuldzuweisungen versehen“, sagte Wilitzki. „Offenbar hat sich da jemand aufgeregt.“
Viele Teltower seien von der kurzfristigen Eröffnung des Heims überrascht worden, sagt Eva-Maria Rütenik-Kulla, Flüchtlingsberaterin des Evangelischen Kirchenkreises Teltow-Zehlendorf. Sie rügt die Informationspolitik des Landkreises. „Dann kommen solche Probleme heraus.“ Meist beruhigten sich die Gemüter aber schnell wieder, so ihre Erfahrung. „Der Landkreis ist schließlich gesetzlich verpflichtet, die Menschen unterzubringen. Das ist rechtens und geschieht nicht, um die Teltower zu ärgern.“
Schon in den 90er Jahren hat es in Teltow in der Iserstraße ein Flüchtlingsheim gegeben. 70 Personen lebten damals in der Stadt. „Es gibt richtig gute Erfahrungen aus der Zeit“ – aber auch einige schlechte, sagt Rütenik-Kulla. So wurde unter anderem ein Brand vor der Haustür gelegt. „Trotzdem war es eine Zeit, in der die Teltower gezeigt haben, dass sie mit anderen Kulturen zusammen leben können.“ Noch immer habe die Flüchtlingsberaterin Kontakt zu vier der Kinder, die damals Zuflucht erhielten. „Sie studieren heute, obwohl ihre Eltern Analphabeten waren.“ Tobias Reichelt
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