
© Kirsten Graulich
Potsdam-Mittelmark: Teltower Handwerk zum Anfassen „Tag der offenen Höfe“ bot Einblick in Tradition
Teltow - Nach jedem Tuckern pafft eine Dampfwolke aus dem Eisenrohr des Generators – solche Geräusche gehörten Anfang des letzten Jahrhunderts zum Teltower Alltag. Und noch immer lässt dieser Klang die Herzen von Technikfans höher schlagen.
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Teltow - Nach jedem Tuckern pafft eine Dampfwolke aus dem Eisenrohr des Generators – solche Geräusche gehörten Anfang des letzten Jahrhunderts zum Teltower Alltag. Und noch immer lässt dieser Klang die Herzen von Technikfans höher schlagen. Beim gestrigen „Tag der offenen Höfe“ unter dem Motto „Handwerk erleben – Tradition bewahren“ fanden die alten Generatoren auf einem Hof in der Ritterstraße viele Bewunderer, die sich vor allem für technische Details interessierten. Ein Generator aus dem Dresdner Sachsenwerk Baujahr 1934, lieferte 1,7 Kilowatt. Die Ackerbürger setzten die mobilen Stromerzeuger nicht nur in der Landwirtschaft ein, viele Teltower gingen auch noch einem Nebenerwerb nach und verdienten sich ein Zubrot als Handwerker.
So war am Sonntag auch die Zunft der Lein- und Garnweber vertreten, Mitglieder des Heimatvereins führten vor, wie aus Schafwolle am Spinnrad Fäden gezogen werden. Gezeigt wurde auch das typisch erzgebirgische Klöppelhandwerk, bei dem mittels Klöppel und dem daran aufgewickeltem Garn durch Verdrehen, Kreuzen, Knüpfen und Schlingen verschiedene filigrane Muster entstehen. Solche Spitzen wurden oftmals als Zierkante für die Sonntagsgarderobe verwendet.
Gürtel und Taschen gab es am Stand der Sattler. Einst hatte sich ein Gregor Bernd im Jahr 1729 als einer der ersten Sattler in die Teltower Bürgerrolle eintragen. Weil er ein Kind der Stadt war, zahlte er für die Amtshandlung nur 11 Groschen, während der Schuster Christian Schurich aus Ruhlsdorf ein Jahr später noch einen Reichstaler dazulegen musste. Denn: Die Eintragung in die Bürgerrolle, die notwendig war, um ein selbstständiges Gewerbe ausüben zu können, blieb denen vorbehalten, die in der Stadt ein Haus besaßen. 1840 zahlte der Potsdamer Korbmacher Karl Weer bereits drei Reichstaler für den Eintrag in die Bürgerrolle.
Welchen Nutzen alte Handwerkskunst noch heute haben kann, zeigte Rolf Hegenbart aus Kleinmachnow. Der staatlich geprüfte Restaurator und Raumaustatter führte am Sonntag vor, wie viele Arbeitsgänge notwendig sind, um einen Biedermeiersessel fachgerecht aufzuarbeiten. Sind die Sprungfedern mit einer speziellen Technik verschiedener Knoten miteinander verschnürt, wird eine Federleinwand aufgebracht, auf die eine lockere Materialschicht aus Rosshaar kommt, das wiederum mit Nessel bezogen wird. Meister Hegenbart legt dabei Wert auf handgewebte Stoffe. Der traditionelle Handwerksberuf, der heute unter Raumausstatter firmiert, erfordert viel Fingerspitzengefühl und Kenntnisse über Stilepochen. Die Lehrzeit beträgt drei Jahre.
Andrang gab es auch im Hohen Steinweg, wo mehrere Schmiede mit viel Getöse Eisen formten, das zuvor im Feuer zum Glühen gebracht wurde. Früher waren Schmiede im ländlichen Raum unverzichtbar und in der Teltower Bürgerrolle sind Huf- und Waffenschmiede seit 1659 vertreten. Abgerundet wurde dieser umfassende Blick in die Teltower Handwerksgeschichte mit kulinarischen Leckereien und Livemusik. Kirsten Graulich
Kirsten Graulich
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