
© Andreas Klaer
Abwasserverband "Der Teltow": Teltows Abwasser bald kostenlos?
Die Stadt prüft einen Rabattvertrag von 1924 mit Berlin. Dort wundert man sich, dass Deutschlands Wachstumssieger der armen Hauptstadt in Tasche greifen will.
Stand:
Teltow - Wird das Abwasser in Teltow bald kostenlos? Die Gerüchte kursieren seit Jahren durch die Stadt: Teltow hätte eigentlich das Recht, sein Abwasser völlig umsonst bei den Berliner Wasserbetrieben loszuwerden, wie es heißt. Abwasserpreis: Null Euro. Dazu gebe es einen Vertrag aus den 1920er-Jahren, hatte zuletzt ein Teltower Bürger in der Verbandsversammlung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes „Der Teltow“ vor der Sommerpause versichert. Und er war in den vergangenen Jahren nicht der einzige.
Die jüngste Anfrage hat die Stadtverwaltung zum Anlass genommen, mal das Archiv zu durchforsten. Und man ist tatsächlich auf einige bemerkenswerte Protokolle, Briefwechsel und Schriftsätze gestoßen. Einer davon: Ein Verwaltungsbericht für die Jahre 1914 bis 1928. Auf Seite 19 ist von einer unguten Zeit für Teltow die Rede: Mit dem Groß-Berlin-Gesetz hatte der damalige Teltower Landkreis im Jahre 1920 fast 90 Prozent seiner Bevölkerung verloren. Der Kanalisationsverband, der erst 15 Jahre zuvor zur Schmutzwasserentsorgung mit der Landgemeinde Deutsch-Wilmersdorf, Schmergendorf und Zehlendorf gegründet worden war, wurde aufgelöst.
"Auf ewige Zeiten gebührenfrei"
Teltow stand da wie ein gerupftes Huhn. Als Entschädigung für die Vermögenswerte des Kanalisationsverbandes bekam die Stadt immerhin zugesagt, ihre Abwässer bis zur doppelten Menge des damaligen Jahresdurchschnittes in die Berliner Druckrohranlage entsorgen zu dürfen, „auf ewige Zeiten gebührenfrei“, wie es in dem Jahresbericht wörtlich heißt. Erst nach „langwierigen Verhandlungen“ sei die Vereinbarung im Jahr 1925 gelungen, der ursprüngliche Vertragsentwurf sei noch „von rein Berliner Interessen“ diktiert gewesen.
Der Stadtverordnete Andreas Wolf, Mitglied der Verbandsversammlung „Der Teltow“, hält den Verwaltungsbericht aus dem Jahr 1930 für bemerkenswert und hob das Thema auf die Tagesordnung der Stadtverordnetenversammlung. Keine Luftnummer sei das, wie er betonte. „Es geht um eine relevante Urkunde.“ Die Stadtverordneten beauftragten den Bürgermeister am Mittwochabend einstimmig, der Sache auf den Grund zu gehen, Ansprüche gegen die Berliner Wasserbetriebe zu prüfen und gegebenenfalls auch entgangene Ansprüche der vergangenen Jahrzehnte geltend zu machen.
Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD) warnte gegenüber den PNN vor allzu hohen Erwartungen. Dennoch: „Auch wenn es nur einen kleinen Vorteil für die Teltower Bürger geben sollte, habe ich natürlich Interesse daran, den auch zu heben.“ Den Auftrag der Stadtverordneten nehme er ernst, mögliche Ansprüche werde er genau prüfen und die Archivunterlagen, die übereinandergelegt einen etwa fünf Zentimeter dicken Stapel ergeben würden, mal von Fachleuten begutachten lassen.
Vertrag ist bei Berliner Wasserbetrieben nicht bekannt
Rund eine Million Kubikmeter Abwasser entsorgt die Stadt Teltow jährlich ins Abwasserwerk Stahnsdorf, das den Berliner Wasserbetrieben gehört. Der Durchschnittshaushalt zahlt dafür jährlich etwa 300 Euro. Stephan Natz, Pressesprecher der Wasserbetriebe, wundert sich erstmal, dass „die am schnellsten wachsende Stadt in Deutschland dem armen Berlin in die Taschen greifen will“. Und was ist mit dem Vertrag aus dem Jahr 1924?
Der sei bei den Berliner Wasserbetrieben nicht bekannt. Selbst falls es ihn gebe, sei er vermutlich mit der Charlottenburger Wasser- und Industriewerke AG geschlossen worden, die seinerzeit für dieses Thema im neuen Berliner Südwesten zuständig gewesen sei. „Und wir sind kein Rechtsnachfolger der Charlotte Wasser“, wie Natz mit einer branchenüblichen Abkürzung betont.
Die sei am 30. August 1945 liquidiert worden, die Vermögenswerte seien an die Stadt Berlin gegangen. Inwieweit Ansprüche von Teltow gegenüber der Stadt Berlin bestehen, könne allenfalls ein Staatsrechtler nach mehrjährigen Studien der Sachlage beantworten, so Natz. „Ich werde mich da nicht aufs Glatteis begeben.“
Immer mal wieder taucht eine alte Aktie auf
Erfahrungen mit ähnlichen Ansprüchen habe man schon gemacht: Immer mal wieder finde jemand eine Aktie der „Charlotte Wasser“ im Vertiko auf dem Boden und wolle sie bei den Berliner Wasserbetrieben ausgezahlt bekommen. Die Anfragen müssten jedes Mal abgewiesen werden, das sei aus jetziger Sicht auch für die Stadt Teltow zu befürchten, sagt Natz. „Selbst wenn zwei mittelalterliche Fürsten auf der Jagd beim Bier mal was vereinbart haben, dann gilt heute doch das Prinzip von Leistung und Gegenleistung.“
Über die Preisentwicklung beim Abwasser müsse derweil tatsächlich verhandelt werden: Derzeit liefen Gespräche mit dem Teltower Verband zur Vertragsverlängerung. Wegen strengerer Richtlinien müsse das Stahnsdorfer Klärwerk aufgerüstet werden – und das koste Geld.
Ergebnisse der Prüfung 2016
Betriebsführer des Teltower Wasser- und Abwasserzweckverbandes ist die Mittelmärkische Wasser- und Abwasser GmbH in Kleinmachnow (MWA). Deren Geschäftsführer Felix von Streit hat mit der Prüfung der Ansprüche bereits begonnen. Das Hauptproblem aus seiner Sicht: Es gebe zwar eine Reihe interessanter Unterlagen, aber der Vertrag aus dem Jahr 1924 als solcher sei noch nicht wieder aufgetaucht. „Wir haben die Stadt darum gebeten, nochmal zu suchen“, so von Streit gestern gegenüber den PNN.
„Null Euro für Abwasser wäre natürlich ein Wunsch, den wir alle haben“, sagt der MWA-Geschäftsführer. Darauf werde es aber wohl selbst nach erfolgreicher Prüfung eher nicht hinauslaufen. Mit Ergebnissen rechnet von Streit ohnehin leider erst im nächsten Jahr.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: