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Potsdam-Mittelmark: Teufelchen und Gänsebratenkerze
In der Zinngießerei Werner wird seit 30 Jahren traditionelles Zinngerät hergestellt / Verkaufsausstellung am Wochenende
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Stahnsdorf - Der Teufel liebt seine Teufeline, die ist jedoch dem Weingott Bacchus zugetan, der wiederum eine Elfe begehrt. Doch alle halten dicht. Denn das ist ihr Job als Flaschenverschluss mit Kerzenhalter, allesamt aus Zinn gegossen, bleifrei und lebensmittelecht. Seit drei Jahrzehnten entstehen in ihrer Güterfelder Zinngießerei aus dem silberweißen Metall Leuchter, Kannen und Figuren, darunter auch viele Engel, von denen sich einige auf einem Karussell im Kreis drehen. Da lag es nahe, dass ein Teufelchen mit Gefährten für Ausgleich sorgt, sagt Erika Werner.
Bei Werners gibt es zu jeder Figur eine Geschichte. Am Anfang steht eine Ideenskizze, ehe Lutz Werner Miniaturen aus Wachs kreiert. Für manche Details muss er die Lupe nehmen, um sie mit den medizinischen Instrumenten in Form zu bringen. Einen Arbeitsgang später entstehen aus den Modellen Gussformen, in die später 400 Grad flüssiges Zinn gefüllt wird. Nach dem Abkühlen werden die Teile geschliffen und poliert. Die Späne unter der Drehlade sehen aus wie Lametta und Werners Finger sind schwarz vom Staub.
Einige Teile, wie die Pendelkerzenhalter, werden mit Löteisen zusammengesetzt. Erfunden wurden diese Halter im Erzgebirge und 1878 erstmals patentiert. Seinerzeit bestanden sie aus einem Weißblechhalter für die Kerzen, darunter ein Draht, an dem ein Bleigewicht hing. So eingehängt in den Weihnachtsbaum gerät die Kerze nicht aus der Balance, pendelt sich von selbst ein. Fein gearbeitete Pendelkerzenhalter galten einst als Gastgeschenk, wenn man am 1. Feiertag zum Gänsebraten eingeladen war, sagt Werner – was dem Baumschmuck den Beinamen „Gänsebratenkerze“ eingebracht haben soll. Diese Tradition setzen Werners nun mit eigenen Designs fort. So sind als Pendel neben dem traditionellen Zapfen auch ein Schaukelpferd, ein Teddy, ein Engel, Mond und Sterne im Angebot.
Dass die Arbeiten, die in der Werkstatt entstehen, nicht kurzlebigen Moden folgen, merken Besucher spätestens im Verkaufsraum, wo in Glasvitrinen neben Windlichten, Tellern und Bechern auch bauchige Trinkflaschen ausgestellt sind. Ihr Formempfinden haben Werners auf der Kunsthochschule Burg Giebichenstein geschult, wo sie ein Grundlagenstudium absolvierten. Bevor Lutz Werner sich 1971 entschloss, Zinngießer zu werden, war er Ingenieur im Geräte- und Reglerwerk Teltow.
Er wollte ein Stück Kulturgeschichte bewahren, als Handwerksmeister bildete er sechs Lehrlinge aus. Nach der Wende konnte von denen keiner mehr in diesem Beruf sein Brot verdienen. Lutz Werner ist in Brandenburg der letzte seiner Zunft. „Das Handwerk stirbt langsam aus“, fürchtet er. Kirsten Graulich
Vorweihnachtliche Verkaufsausstellung am 19. und 20. November in der Stahnsdorfer Werkstatt, OT Güterfelde, Jägersteg 13.
Kirsten Graulich
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