KulTOUR: „Teuflische Nacht“
Kammerspiele zeigten Oper über Ersten Weltkrieg und Kantate von Debussy
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Kleinmachnow - Den ersten großen Weltkrieg vor einhundert Jahren mit dem Teufel in Verbindung zu bringen, ist gar nicht so falsch. Man muss nur an ihn glauben. Das tat Johan de Wit, ein niederländischer Komponist und Bläser in Kassel, als er seine Kurzoper „Des Teufels Nacht“ ins Leben rief.
Für die Uraufführung seines Werkes bewarb er sich bei etlichen Kammeropern, die in Kleinmachnow nahm an. Eine Weltpremiere also am feierlichen Samstagabend in den „Kammerspielen“, es gibt keine zweite Vorstellung vor Ort. Der Theatersaal war zwar nicht voll, aber gut gefüllt. Die Erwartungen waren groß, zumal dem ersten noch ein zweiter Teil zu folgen hatte: Claude Debussys geistliche Kantate vom verlorenen Sohn aus dem Jahre 1884 in französischer Sprache.
Nach der Einführung durch den Regisseur Bernhard Hanuschick – er brachte Georg Trakl und Stefan Zweig über den Ersten Weltkrieg zu Gehör – öffnete sich mit dem roten Vorhang auch die Bühne, wo Anna (Ilona Nymoen, Sopran) ihre Angst um Franz (Julian Rohde) vorträgt, der soeben ein Soldat werden muss. Der „Leibhaftige“ macht ihr ein Angebot: Franzens Leben gegen eine Nacht mit ihr. Tatsächlich kommt Franz als einziger seiner Truppe noch einmal davon, doch Anna ist vom Teufel schwanger geworden. Der gehörnte Gatte erwürgt sie, aus!
Soweit das Sujet (Libretto Silke Wenzel) für die 20-minütige Miniatur. Musikalisch ist sie für Klarinette, Klavier und Cello ausgelegt. Ideal für Aufführungen in Schulen, wofür das Spiel auch erdacht war. Jens Moritz Klatt, Raminta Lampsatis und Christiane Starke spielten mit verve, was de Wit im Stil der 20er-Jahre so hübsch und jazzig komponiert hat. Thomas Henning dirigierte, der Regie (Klaus Lutz Lansemann) freilich kann man, bei aller Sympathie, nur extreme Kargheit bescheinigen. Da fehlte so viel an Substanz. Trotzdem war der Beifall groß, Bravo-Rufe und die heute übliche Zustimmung mit Schreien nach Art der Indianer.
Während der Bass-Bariton Till Schulze im ersten Teil den Herrn Luzifer zu spielen hatte, oblag ihm danach in Debussys biblischer Kantate „L´Enfant prodigue“ der Part des gestrengen Papas Simon, der die Tränen der leidenden Mutter um ihren verlorenen Sohn (Julian Rohde, Tenor) nicht wahrhaben will. Der Sohn bereut, die Mutter (Ilona Nymoen) telepathiert, so kommt zuletzt durch die Erleuchtung des Herrn alles wieder ins Lot. Sogar der Vater lässt sich erweichen: „Komm, mein Sohn, in meine Arme!“ Allerdings sieht man in der szenischen Aufführung davon gar nichts. Rampensingen fast ohne Gemüt und Bewegung, da hätte sich wahrlich mehr draus machen lassen.
Debussys Komposition gefällt sich in sanften Harmonien und zärtlich perlenden Läufen bis zur Sentimentalität. Die Darstellung ist für Klavier solo ausgelegt, welches Raminta Lampsatis auch hier mit viel Gefühl spielte. Der „Berliner Lehrerchor“ gab, in beiden Aufführungen vielköpfig vertreten, den szenisch-chorischen Hintergrund für den zweistündigen Abend. Es gab viel Beifall am Ende und etliche Vorhänge. Auch „Indianer“ hat man wieder gehört. Eine passable Idee, dergestalt an den ersten „Großen Krieg der weißen Männer“ zu erinnern, wie Arnold Zweig das große Schlachten ab 1914 einstmals nannte. Für die Kleinmachnower Kammeroper war es bereits die dritte Produktion seit ihrer Gründung vor gut einem Dreivierteljahr. Der öffentliche Zuspruch wächst. Im Herbst folgt Beethovens „Fidelio“, der war ja auch ein verlorener Sohn. Gerold Paul
Gerold Paul
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