
© Johanna Bergmann
Potsdam-Mittelmark: Teure Prognose?
Warum die Straßensanierung in der Teltower Altstadt für heftigen Ärger bei den Anwohnern sorgt
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Teltow - Eigentlich sollten die Sanierungsmaßnahmen in der Teltower Altstadt schon vor fünf Jahren abgeschlossen sein. Doch nun befürchten Anwohner, dass sich das Vorhaben noch länger hinzieht. Nach knapp 20 Jahren werden erneut Berliner Straße, Lindenstraße und Breite Straße saniert. Auf der Stadtverordnetenversammlung (SVV) am Mittwochabend machten drei Anwohner daher ihrem Ärger in der Einwohnerfragestunde Luft.
Sie vermuten, dass sie für die aktuellen Baumaßnahmen einen Kostenanteil tragen müssen, der vielen als Bescheid für die sogenannten Ablösebeträge bereits ins Haus flatterte. Solche Beträge gehören zum Prozedere einer Sanierung der Infrastruktur und sind laut Baugesetz eine Abschöpfung der Wertsteigerung von Grundstücken in einem Sanierungsgebiet. Dafür werden im Gegenzug keine Erschließungsbeiträge wie in Siedlungen erhoben. Gezahlt haben bereits 148 Eigentümer diese Vorleistungsbescheide für insgesamt 166 Altstadt-Grundstücke.
Einige von ihnen nutzten dabei die Chance, freiwillig in den ersten Jahren zu zahlen, um so in den Genuss von sechs Prozent Rabatt zu kommen. Die Rabattaktion erwies sich auch für die Stadt als vorteilhaft, da das Geld für weitere Sanierungen verwendet werden konnte.
Immerhin sollte eine Summe von rund 2,5 Millionen Euro eingenommen werden. Nach 2006 wurden dann für zwei Jahre nur noch 4,5 Prozent Rabatt eingeräumt. Doch nicht jeder, der gerade seine Immobilie instand setzte, konnte die Ablöse sofort zahlen, einige Forderungen bewegen sich im fünfstelligen Bereich. So mussten zehn Grundstücksbesitzer Ratenzahlungen vereinbaren. Nun stehen noch Endbescheide aus, können aber nur mit Gültigkeit der Sanierungssatzung erhoben werden.
Nach neuesten Erkenntnissen ist die jedoch ungültig im Zusammenhang mit der einstigen Veröffentlichung im Jahre 1994. Der Formfehler sei erst im November letzten Jahres festgestellt worden, räumte die Erste Beigeordnete Beate Rietz in der Sitzung ein. Eine Heilung für das Papier war am Mittwochabend nicht in Sicht – die Stadtverordneten lehnten es mehrheitlich ab, den Beschluss zu verabschieden. Zu viele Fragen seien noch offen, hieß es. Angeregt wurde zudem eine Bürgerversammlung für die betroffenen Grundstückseigentümer.
Solche Info-Veranstaltungen habe es nur in den 1990er-Jahren gegeben, erinnert sich Günter Hartmann aus der Ritterstraße. Die einstige Prognose einer Werterhöhung für sein Grundstück kann er gegenwärtig nicht nachvollziehen. Statt Verbesserungen sieht er nur Nachteile: „Wir haben den ganzen Verkehr, der früher auf der Potsdamer Straße war, jetzt in der Altstadt auf dem denkmalgeschützten Holperpflaster.“ Denn die Potsdamer Straße, früher eine Durchgangsstraße, ist nach der Sanierung schmaler geworden, der Verkehr staut sich dort oftmals und weil auch die Oderstraße viel befahren ist, suchen sich Autofahrer nun Schleichwege durch die Altstadt. Hinzu komme eine Buslinie, die alle 20 Minuten fast ausnahmslos leer durch die Altstadt brause.
Deren Belebung – das einstige Sanierungsziel – hat sich Günter Hartmann anders vorgestellt. Statt Shoppingmeile und Cafés hat die Lärmbelastung stetig zugenommen und sein Haus hat bereits mehrere Risse. Seit einer Rohrsanierung in den 1990er-Jahren strömen zudem aus Gullylöchern unangenehme Gerüche. „Im Sommer können wir die Fenster zur Straßenseite nicht öffnen, weil es stinkt wie im Klärwerk“, schilderte Brigitte Hartmann gegenüber den PNN die Verluste an Wohnqualität. Beschwerden bei der Stadt seien im Sande verlaufen. „Wir kriegen einfach keine Antwort“, sagt sie. Auch das Gutachten, das die Stadt zu jedem Grundstück angefertigt habe und aus dem die wertmäßige Verbesserung hervorgehen soll, haben Hartmanns noch nie gesehen. „Wir dürfen nur noch das Portemonnaie öffnen“, sagt Hartmann. Ein Nachbar klage bereits und auch Familie Hartmann will in Widerspruch gehen.
Derweil spricht Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD) von einem transparenten Verfahren mit entsprechenden Beschlüssen. Stadtkämmerer Rico Kasten versuchte in der Sitzung zu besänftigen: „Anders als bei Ausbaubeiträgen von Siedlungsstraßen, die pro Quadratmeter eines Grundstückes mit rund 17 Euro zu Buche schlagen, sind es im Sanierungsgebiet nur zehn Euro pro Quadratmeter.“ Doch das tröstet Hartmanns nicht, denn ihr Grundstück ist rund 1000 Quadratmeter groß, davon ist aber ein großer Teil Gartenland, wie es bei vielen Ackerbürgern üblich war. Hartmann: „Zuerst wurde uns gesagt, die Summe für die Ablöse betrage maximal zehn Prozent der Wertsteigerung, nun haben wir aber den Eindruck, dass wir den gesamten Betrag zahlen sollen.“
Kirsten Graulich
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