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Im Flow. Graf Fidi ist Sozialarbeiter und Rapper.

© Andreas Klaer

Potsdam-Mittelmark: Texte bauen mit dem „Rollstuhl-Rapper“

Schüler der Karibu-Oberschule arbeiten zusammen mit dem Hip-Hopper Graf Fidi an einem Musikvideo

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Schwielowsee - Rappen gegen Ausgrenzung: Die Karibu-Oberschule Geltow beteiligt sich am inklusiven Kurzfilmwettbewerb „Janz schöön anders“ mit einem Hip-Hop-Musikvideo. Dazu holte sich die Förderschule für verhaltensauffällige Jugendliche Unterstützung vom Berliner Rapper Graf Fidi: Zusammen mit den sechs Teilnehmern des Wettbewerbs arbeitete er am Montag in einem Workshop an den Texten für den geplanten Song.

Der 35-Jährige, der im normalen Leben Hans Friedrich Baum heißt und als Sozialarbeiter tätig ist, sitzt selbst im Rollstuhl und hat statt der rechten Hand nur einen Finger. Von den Themen Ausgrenzung und Anderssein kann er ein Lied singen, oder besser gesagt, rappen: „Das mach ich mit links“ oder „Rock 'n' Rolli Theme“ heißen zwei seiner Songs. Mit seiner Behinderung geht er unverkrampft und offensiv um: „Als Jugendlicher habe ich auch mal mit Graffiti-Sprayen angefangen, aber das ist schwierig im Rollstuhl, wenn plötzlich die Polizei kommt und man wegrennen muss.“ Er selbst bezeichnet sich als „Rollstuhl-Rapper“.

Seit fünf Jahren macht Graf Fidi Hip-Hop-Workshops mit Jugendlichen. In dem Projekt mit der Karibu-Oberschule soll am Ende jeder Teilnehmer vier Zeilen von sich im Text haben, vier Zeilen über die eigenen Träume, Ängste oder Hobbys. Die 14- bis 16-jährigen Schüler geben das Thema und ihre Gedanken dazu vor, Graf Fidi schreibt gemeinsam die Texte mit ihnen.

Bis es dann in Graf Fidis Heimstudio geht, wo der Rapper auch seine eigenen Produktionen aufnimmt, dauert es noch ein bis zwei Wochen. Einen Namen hat der Song schon: „Ziel vor Augen“. Der ursprüngliche Arbeitstitel lautete „Heimkinder“. Das war dann doch etwas zu negativ, aber um Negatives darf es auch gehen: „Warum bin ich hier, Wut auf die Eltern, Wut aufs Jugendamt, “, zählt Graf Fidi einige der möglichen Themen auf.

Die Karibu-Oberschule der Evangelischen Jugendhilfe betreut Jugendliche, die aus verschiedensten Gründen die Regelschule nicht mehr besuchen können: sozial-emotionale Störungen, Hyperaktivitätsprobleme oder Lernschwierigkeiten. Graf Fidi weiß selbst, wie es vielen der Schüler geht: „Den Satz ‚Du schaffst das nie!’ habe ich früher selbst oft gehört.“ Um persönlichen Frust aber auch um eigene Ziele und Wünsche auszudrücken, sei Hip-Hop ein perfektes Medium.

Die Jugendlichen müssen sich aber auch überlegen, was am Ende in dem zwei- bis dreiminütigen Video zu sehen sein soll. Im Mittelpunkt sollen sie selbst stehen: Eine Schülerin möchte sich beim Schwimmen im Schwimmbad filmen, ein Schüler beim Fußballspielen, ein anderer beim „Pumpen“ auf der Trainingsbank. „Wo soll man dich sehen?“, fragt Catharina Güldner von „Janz schöön anders“ eine der Teilnehmerinnen. Doch die Schülerin will lieber nicht selbst auftreten: „Es soll eine Rose vor weißem Hintergrund sein.“

Marie Dulle, Leiterin der Evangelischen Jugendhilfe, findet das Projekt super: „Am wichtigsten ist, dass die Jugendlichen Außenkontakte bekommen.“ Durch die eher einsame Lage der Oberschule auf dem Franzensberg bestehe immer das Risiko, dass die Schüler als randständig behandelt würden, so Dulle.

Derzeit beteiligen sich 32 Video-Teams aus 14 Schulen an dem Wettbewerb, darunter acht Förder- und Inklusionsschulen. Eingereicht werden können Kurzfilme zum Thema Ausgrenzung in unterschiedlichsten Formaten: Action-Film, Dokumentation, Animation. Als Preis winkt unter anderem eine Reise nach Hamburg. Die Chance für die Karibu-Schüler stehen gar nicht mal so schlecht: Immerhin hat auch im letzten Jahr ein Musikvideo gewonnen. EW

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