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KulTOUR: Theater und Welt

Öffentliche Probe von „La Luna, Luna“. Eine freundliche Einladung von „Ton & Kirschen“

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Werder (Havel) - Eigentlich redet man ja über das Imperfekte, also Unvollständige, nicht gern. Wenn man aber so freundlich zu einer öffentlichen Probe in das Reich von „Ton & Kirschen“ geladen wird, dann schon. Schließlich weiß man ja, mit wie viel Kunstgeschick und Stilwillen diese freie Truppe sich ihre theatralischen Aufgaben sucht, und sie auch bewältigt. Derzeit arbeitet das international gemischte Theaterteam in seiner Glindower Wagenburg an einer Hommage für Federico Garcia Lorca.

Der 1936 von der spanischen Nationalgarde, der Guardia Civil, erschossene Dichter passt ob seiner sozialkritischen wie liberalen Lebenseinstellungen ganz erstaunlich in die heutige Zeit, ist mithin „ausgesprochen modern“. Es gibt ja mehrere Parallelen zwischen ihm und ihnen: Beiden lag oder liegt das Wandertheater am Herzen, beiden ist Theater „Welt“, diese aber ein Ort voll ungelöster Probleme. Liebe und Tod, Gewalt und Mythos, Poesie und Hoffnung sind darin allgegenwärtig – und also auch in dieser neuen, wenn auch imperfekten Produktion. Erdacht hat sich das poetische Spiel zwar das altbewährte Team von Margarete Biereye und David Johnston, die szenische Erarbeitung der Stückszenen, Gedichte und Lieder freilich lag in den Händen des gesamten Ensembles.

Natürlich alles Open Air, wie immer: Vor einem braunen Rundhorizont stehen vier riesige Türen, zwischen die sich bequem Zwischenvorhänge spannen lassen. Der Platz davor ist die Welt, darin Lorca und Zuschauer wohnen. Die Collage beginnt mit einem faustischen Marionettenspiel des Dichters, heiter und geschwinde gespielt. Auch Lorca tritt als stumme Maskenfigur immer wieder mal auf, leider hat er außer einer herumgeisternden Funktion nicht viel zu tun.

Der Stücktitel „La Luna, Luna“ bezieht sich auf das erste Gedicht des 1928 erschienenen „Zigeunerromazero“, darin Frau Mond zur Erde herabsteigt, von einem Mädchen aber vor „Gitane“ gewarnt wird. Das Kind stirbt schließlich auf Schmiedes Amboss, was „Ton & Kirschen“ mit einer großen Handpuppe zeigt. Sowohl von den Genres wie von den theatralischen Formen her ist in dieser Inszenierung von Slapstick bis Rezitation, von Puppenspiel bis zu illustrierenden Straßentheaterszenen aus Neu York wirklich alles dabei. Sogar ein Stierkampf mit Lorca, der jedoch „falsch herum“ inszeniert zu sein scheint, denn seine Hörner verkörpern doch die Sichel des allgegenwärtigen Mondes, dieser wiederum steht, auch in Glindow, für Sexus, Tod – und dies eben für Lorca! Die etwa zweistündige, höchst musikalische Inszenierung endet nicht mit dem Bild von der Ermordung des Dichters, sondern mit einer Liebesszene zweier Puppenmänner, Lorca war ja Uranist.

Zum aktuellen Stand der Dinge: Wie der Einstieg für „Uneingeweihte“ fehlt, so sind auch die Proporze in dieser Großcollage noch unausgewogen: Zwischen der Bühnenperson Lorcas und seinem Werk, zwischen realistischer und stilisierter Darstellung, zwischen Außen und Innen. Am Zentrum will noch gebastelt sein, an den emotionalen Anteilen auch, denn zum Finale hin verliert sich alle Leichtigkeit des Spiels. Und warum sollte nicht die Figur Lorcas der Impresario des Abends sein?

Premiere ist am 17. August in der Berliner UFA-Fabrik. Im Oktober wird das Stück in Glindow gezeigt. Bis dahin.

gerold Paul

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