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Von Henry Klix: Tierheime in finanziellen Nöten

Tierschutzbund mahnt: Kommunen drücken sich vor Kosten / Schwielowsee will Vertragspartner wechseln

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Schwielowsee - Hinter der Meldung steckt Zündstoff: Die Gemeinde Schwielowsee will ihre Fundtiere ab 2011 in Medewitz (Gemeinde Wiesenburg) betreuen lassen. Auf eine Neuausschreibung hatten sich zwei Bewerber im Rathaus gemeldet. Die Verwaltung empfiehlt den Gemeindevertretern das Tierheim „Hoher Fläming“ in Medewitz – vor allem, weil eine 24-Stunden-Bereitschaft angeboten wird. Der zweite Bewerber, das Pfötchenhotel in Beelitz, kann das nicht.

Die Fundtierbetreuung ist Pflichtaufgabe der Kommunen, gemeinhin schließen sie dazu Verträge mit Tierheimen ab. Doch die können sich aus den Zuschüssen selten wirklich finanzieren. Schwielowsee ließ seine Tiere seit dem Jahr 2008 im Tierheim Verlorenwasser betreuen. Das kündigte den Vertrag, weil die Kosten nicht im Verhältnis zu den Einnahmen gestanden hätten. „Nachdem uns Ziesar den Betreuungsvertrag gekündigt hatte, konnten wir den 24-Stunden-Dienst allein für Schwielowsee nicht mehr darstellen“, sagte Tierheim-Leiter Wolfgang Aland den PNN. Beide Gemeinden gaben pauschal je 10 000 Euro pro Jahr nach Verlorenwasser. „Die tatsächlichen Kosten betragen ein Vielfaches davon“, sagt Aland.

Die 10 000 Euro werden auch in Medewitz nicht reichen, wie Schwielowsees Bürgermeisterin Kerstin Hoppe (CDU) prophezeit: Die Kosten sollen dort pro Tier abgerechnet werden. Fünf Hunde, zweiundzwanzig Katzen und ein Vogel wurden dieses Jahr schon abgegeben. Davon ausgehend wird von der Verwaltung mit Ausgaben von 15 000 Euro pro Jahr gerechnet. In Verlorenwasser ist man über solche Zahlenspiele inzwischen sauer: „Auch für 15 000 Euro bekommt man noch keine ordentliche Fundtierbetreuung für eine Kommune mit 10000 Einwohnern hin“, meint Aland. Er appellierte an die Kommunen im Landkreis, endlich ein vernünftiges Tierheim auszufinanzieren.

Alle gemeinnützigen Tierheime in Brandenburg würden inzwischen „auf Schrottimmobilien“ sitzen. „Den Tierpflegern kann nicht mal der häufig diskutierte Mindestlohn von 7,50 Euro gezahlt werden“, so Aland. „Und wenn man bei Ordnungsämtern die Gehälter vorrechnet, dann wurde mir schon geantwortet: Bei Kaufland gibt es noch weniger.“ Bei seiner Argumentation wird Aland vom Deutschen Tierschutzbund unterstützt. Eine breit angelegte Umfrage des Vereins habe ergeben, dass die Kommunen durchschnittlich 25 Prozent der in Tierheimen anfallenden Kosten übernehmen, dafür aber fast 80 Prozent der Leistungen abrufen. „Die Tierheime sind nicht mehr länger in der Lage, auf dieser Basis Aufgaben für die öffentliche Hand zu übernehmen“, so Tierschutzbund-Präsident Wolfgang Apel.

Hinzu kommt: Die Folgen der Finanzkrise und der Sozialgesetzgebung würden sich im praktischen Tierschutz niederschlagen. „Auf der einen Seite gehen Spenden und Sponsoring zurück, auf der anderen Seite werden immer mehr Tiere aus finanziellen Gründen abgegeben.“ Apel fordert einen „bundesweit einheitlichen Rahmen für die Fundtierkostenerstattung“. Doch all seine Gesprächsbitten bei dem kommunalen Spitzenverbänden seien abgesagt worden. Den Tierheimen empfiehlt er deshalb, die Fundtierbetreuung abzulehnen, auch wenn das nicht das Ziel von Tierschützern sein könne.

In Verlorenwasser, wo das Tierheim vom „Tierfreunde Berlin-Brandenburg e.V.“ betrieben wird, hat man derweil den Eindruck, dass sich manche mittelmärkische Kommune um ihre gesetzlichen Aufgaben schummeln will. So habe die Meldung gefundener Tiere durch die Bürger inzwischen häufig beim Ordnungsamt oder der Polizei statt beim Tierheim zu erfolgen. „Die Schwelle dort wird dann häufig bewusst hoch gelegt in der Hoffnung, dass der Bürger das Problem auf anderen Wegen löst“, fürchtet Aland.

Trotz aller Nöte hält man in Verlorenwasser an Ausbauplänen fest: Das Tierheim existiert dank Spenden und Sponsoren und hat sich inzwischen erfolgreich auf verhaltensauffällige Tiere spezialisiert. In Verlorenwasser hätte man theoretisch auch die Kapazität, um die Fundtierbetreuung nicht nur für Ziesar und Schwielowsee, sondern für den ganzen Kreis zu übernehmen. Aland: „Das muss dann aber auch gewollt und ausfinanziert sein.“

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