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KulTOUR: Tollkühne Männer in fliegenden Kisten

Die Akademische Fliegergruppe Berlin hebt seit 100 Jahren in die Lüfte ab – auch im Potsdamer Umland

Stand:

Von Gerold Paul

Schwielowsee - „Teufelchen“, „Bergfalke“ oder „Krähe“ – so nannten sie ihre aus Ehrgeiz oder Not selbstgebauten Flugzeuge. Im Fall des Anfang der 1930er Jahre ausgelobten „Volksflugzeuges“ genügte allerdings ein „FF“, was auf die angespannte Finanzlage der Akademischen Fliegergruppe Berlin, alias „Akaflieg“, hinweisen wollte. Denn das Kürzel stand für „fast fertige Maschine“. Immerhin erfüllte sie die gestellten Anforderungen des Deutschen-Luftfahrt-Verbandes um 1932, als man noch von einem bezahlbaren Flugzeug für Jedermann träumte: Mehr als 3000 Reichsmark kostete dieser Flugapparat damals tatsächlich nicht.

Leider ist in der Neuerscheinung „100 Jahre Akaflieg Berlin“ nicht direkt überliefert, wie es mit diesem Projekt weiterging, denn schon 1933 folgte auf „FF“ eine Neuauflage der „Charlotte“ von 1921. Ihre originelle Kontur wurde fortan zum Logo der Berliner Akaflieger. Hundert Jahre „Akaflieg“, das ist eine ununterbrochene Bemühung, immer bessere und schnellere Flugzeuge mit oder ohne Motor zu bauen, das sind ungezählte Flugkilometer sowie Namen und Schicksale im wechselhaften Zeitgeschehen, deren Geschichten erst noch aufgeschrieben werden müssten.

Das alles hat auch mit der heutigen TU Berlin-Charlottenburg zu tun: Als diese noch Königlich Technische Hochschule heißen durfte und alle Welt von den Aviatik-Pionieren Wright und Zeppelin sprach, gründete der Maschinenbau-Student Roland Eisenlohr 1909 die erste studentische Gruppe für Luftfahrt in Deutschland. Sie gehörte aber ausdrücklich nicht zu den korporierten Vereinen, fühlte sich eher „dem Geist der Freiheit“ verpflichtet, wie die Caputherin Krystina Kauffmann in ihrem Geleitwort zum Jubiläumsband schreibt. Sowohl die Aktiven als auch Akafliegs Altherren-, wie Altdamenschaft halten dafür, dass ohne Kauffmanns Elan dieses große publizistische Erinnern niemals möglich gewesen wäre. Sie selbst segelte unlängst über die Süd-Anden, ihr Mann Konrad, ein begeisterter Flieger und Fluginstrumentenbauer, hielt von 1953 bis 1955 den Vorsitz dieser Gemeinschaft.

Sie alle einte und eint die Begeisterung für das Fliegen, die Herausforderung flugtechnischer Innovationen, aber auch verbundenster Kameradschaft in guten wie in schlechten Jahren. Zwei Weltkriege, die zum Segelflug ungeeignete Stadt Westberlin, die Suche nach einem festen Standort diesseits der Wiedervereinigung, den man schließlich in Kammermark bei Pritzwalk fand – immer wieder hat man neu anfangen müssen. Auch kann die Freiheit „über den Wolken“ nicht grenzenlos gewesen sein, denn 100 Jahre „Akaflieg“ bedeutet auch eine lange Liste von tödlichen Abstürzen, und das nicht nur im Kriege.

Nun wird nicht jeder bodenständige Leser Enthusiasmus und Freuden der Berliner Daidalos-Jünger teilen, wenn es um den Ausbau eines Hangars geht, um den Erwerb einer Zugseilwinde für den Katapultstart, oder eines bequemen Pkw für den Transport der Aktivschaft. Auch die vielen Namen in der reich illustrierten Festschrift dürften vor allem wohl Gruppen-Interna bleiben. Trotzdem stecken in jedem der hundert Jahre aufregende Geschichten, genügend Historie, um Nutzen daraus zu schöpfen. Und was die „Reichweite“ dieses Buches betrifft, so touchierten die Fliegenden Akademiker nicht nur Rotterdam, Wien und Rossitten, sondern auch Golm, Bork und Saarmund.

„100 Jahre Akaflieg Berlin“, erschienen im Lukas-Verlag, ISBN: 9783867320955

Gerold Paul

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