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Potsdam-Mittelmark: Toter Hof mit Seele

Beim diesjährigen „Art event“ machten es sich die Künstler zur Aufgabe, ein Stück Ödnis zu beleben

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Beim diesjährigen „Art event“ machten es sich die Künstler zur Aufgabe, ein Stück Ödnis zu beleben Teltow – Beim Anblick der Objekte und Installationen auf dem Hof an der Ecke Katzbach- und Oderstraße mochte sich beim Abschluss des diesjährigen „Art event“ in Teltow mancher Besucher fragen: Ist das eine ART? EVENTuell sogar mehrere, könnte die verspätete Erkenntnis lauten. Denn erst wenn die gängige Bildbetrachtung beiseite geschoben wird und noch die eigene Innenwelt hinzukommt, dann kann das Dargebotene die Oberfläche durchdringen. Weil auch das Bild, das man sich von einem Menschen macht, wenig mit seinem äußeren Abbild zu tun hat, sondern eher mit seinem Wesen. Das bewirkt Erfahrung und die kostet Zeit. Eine Woche Zeit nahmen sich elf Künstler für ihre „art in process“, um einem strukturlosen Hofgelände einen Erlebniswert zu schenken. Ausgangspunkt war eine Pfütze, die zu einem Herzpool verwandelt wurde und so zum Herzstück geriet und das Gelände beseelte. Das war nur möglich, weil auch die Künstler beseelt waren, eine Landschaft zu formen. „Alle schaufeln Erde weg, beginnen einen gemeinsamen Puls zu takten und schwingen sich aufeinander ein“, schreibt Peggy Drost über den Anfang ins gemeinsame Tagebuch. Später fügte jeder dem Hofmosaik noch eigene Puzzlesteine hinzu, immer darauf bedacht, dass das eigene Tun mit den Arbeiten der anderen korrespondiert. So hat Alice Bahra nicht nur einem angrenzenden Werkstattgebäude Farblichter aufgesetzt, sondern die Farben wie eine Spiegelung auf eine Sandfläche neben den Pool aufgebracht. Rings um den Pool verlegte Kathrin Lechner viele Steine unterschiedlicher Größe, bemalte Holzstücke und Bruchstücke aus Ton, die sie meist in unmittelbarer Nähe auf dem Gelände fand. Nicht nur der sinnliche Reiz, wie sie die Materialien anordnete, begeisterte zahlreiche Besucher der vergangenen Woche und am Sonntag, sondern auch, dass sie diesen meist unbeachteten Dingen neuen Wert gab und der Betrachter so an dieser Entdeckung teilhaben konnte. Mit dem Thema Zeit beschäftigten sich Anke Mühlig und Jessi Kobek, die auf ihre Baumleiter Papiere knüpften als Gedankensplitter, auf denen zu lesen ist „keine Zeit mehr“, „zu spät“ und „unendlich“. Beiden war klar, dass sich ihre handgeschöpften Papiere mit der Zeit verändern und auflösen werden. Ihre Arbeit soll so Mitteilung und zugleich ein Sinnbild für Leben sein. Als Verbindung zu allen Lebewesen, versteht Thekla Furch ihre Skulptur aus Keramik und Holz, die Tierköpfe auf einen Pfahl zeigt. Mehr Respekt vor der Kreatur mahnt die Künstlerin damit an, „denn wir sind nur ein unwesentlicher Bestandteil dieser Erde“. Wesentlicher Bestandteil vieler Künstlerarbeiten ist Lehm, den Frauke Schmidt-Theilig als Farbstoff verwendete, während Peggy Drost den „Urschlamm“ als wehmütige Reminiszenz an Sehnsuchtsorte in Taschen füllte. Begeistert waren auch die Kinder der Künstler von diesem herrlichen Material, in das sie ihre Welt hineinbauten und so auch zu nimmermüden Entdeckern auf dem Hof wurden. Doch die Werke hielten dem kritischen Blick einiger Künstler nicht stand, denn sie wollten nicht, dass ihre Arbeiten mit denen der Jüngsten vermengt würden. Damit schien die bis dahin perfekte Harmonie in der Künstlergruppe einen Knacks zu bekommen. Auch weil sie anfangs noch gelobten, sich eben jene kindliche Kreativität zu eigen zu machen und nun offenbar wurde, wie paradox ihre Forderung ist. Letztlich blieben die Kinderkunstwerke stehen, gemäß dem Grundsatz, dass die Liebe zum Spiel, so wie es Kinder betreiben, wenn sie der Wirklichkeit unverdrossen ihre Träume entgegensetzen, ein Ausdruck höchster Meisterschaft ist. Denn in ihren glücklichsten Minuten erfinden auch Künstler die Welt neu und davon kann noch immer etwas auf dem Hofgelände besichtigt werden. Kirsten Graulich

Kirsten Graulich

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