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Durchblick. Oldtimer und Kunst im gelungenen Kontrast.

© Andreas Klaer

KulTOUR: Traurige Nackte zwischen formschönen Autos

Bilder des Malers Pablo Cazals im interessanten Kontrast zu den Oldtimern von „classics & friends“

Stand:

Teltow - Bei „classics & friends“ in Teltows Iserstraße riecht es nach Leder und Benzin. Inhaber Rüdiger von Hören ist ein Freund alter Harmonien. Genauer gesagt von Oldtimern, die mindestens dreißig, am liebsten aber ihre achtzig, neunzig Jahre auf dem Buckel haben.

So findet man im „Show-Room“ seiner Firma jede Menge auf Hochglanz polierte Opas und Uropas der Marken Bentley, Porsche, VW Käfer, Ferrari. Teuerstes Stück derzeit ist ein Mercedes Benz 220 A Cabrio von 1952, schönstes ein drei Tonnen schwerer Wagen gleichen Typs aus der Serie „Adenauer“. Das älteste Modell ist ein restaurierter Ford A Pickup von 1928 mit Holzdach. Wo man innehält, um solch noble und wohlfeile Stahlblech-Harmonien zu bewundern, da schaut man auch auf Bilder an der Wand: Mehr als zwanzig Arbeiten des Malers Pablo Cazals sind in diesem Ausstellungsraum zu sehen.

Wie der 1948 in Hamburg-St. Pauli geborene und aufgewachsene Mann seine inneren Welten in Ästhetik umsetzt, sah man bereits in Dieter Leßnaus Altstadtgalerie zu Teltow. Er ist ein Doppeltalent mit einer über vier Oktaven gehenden Tenorstimme und einem rastlos insistierenden Pinsel, der Cazals Gedankenblitzen vielleicht nicht immer gleich schnell folgen kann. Der Wahl-Parchimer mag bei seinem Werk weder auf „realistische“ Sujets noch auf kunstvolle Verfremdungen verzichten, nicht auf motivische Zitate berühmter Kollegen noch auf skurril-spielerische Elemente. Etwas davon ist bei ihm immer dabei – und dieses „Etwas“ macht halt den „echten Cazals“. Dass seine Bilder auch noch „musikalisch“ sind, muss nicht extra betont werden.

Wie im wahren Leben ist auch bei ihm „das Kleingedruckte“ wichtig. Im „Rasputin“ ist es ein vage gemalter Mini-Adler, in dem Altfrauenakt „Jana“ sieht man einen Mann, der ihr gerade mal bis zur Hüfte reicht, deutlich genug? Oder es steht da ein herrenloser Fuß mitten im Wege, beim wilden „Can Can“. Natürlich sind all diese Nackten mit Einheitsblick nach links nicht unbedingt schön, ihre Erotik ist eher ein Trauerspiel. Sie brauchen zum Fitsein so viel Schminke wie ein Maler Farben, sie zu malen. Nachtbilder könnte man sie nennen, auch wenn der Ausstellungs-Flyer mit „farbenfroher Harmonie zwischen Oldtimer und Kunstwerk“ lockt. Zu ihnen gehörten dann auch die milieuverwandten Bilder „Am Fischmarkt“ und „Erinnerung an Paris“.

Trotzdem ist Pablo Cazals weder ein Milieu- noch ein Aktmaler. Was aber dann? Direkt über dem Ford Thunderbird von 1957 schleicht sich eine dunkle Nackte rechts aus dem Bild, schamvoll die Hand vorm Gesicht. Sie ist „Auf der Flucht vor Dämonen“. Gleich daneben spielt eine auffallend grob gemalte Kollegin ähnlicher Herkunft mit einer auffallend roten Katze. Der kalkweiße Akt auf einem dritten scheint dem Tode näher zu sein als wiedergewonnener Unschuld. So also wohnen hinter Schminke und Masken die verlorene Seelen. In Körpern, so sehr verbogen wie im bodentief „Geschwungenen Akt“. Pablo Cazals hat es auf sich genommen, ihr Bote zu sein, zu künden, dass sich hinter dem schnellen Glück im Tausch zu oft ein lange währendes Elend verbirgt. St-Pauli-Geborene bleiben im Geiste wahrscheinlich immer dort wohnen, egal wo sie sind.

Ein paar Tinten und Studienblätter vervollständigen die wohldurchdachte Ausstellung unter formschönen Autos und antikem Wohn-Mobiliar. Harmonie? Der Kontrast könnte doch größer nicht sein: Außen Hochglanz - innen Jammer.

Die Ausstellung ist bis Ende September im „Show-Room“, Teltow, Iserstraße 6, zu sehen.

Gerold Paul

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