DasWAR’S: Treffen mit Giacomo
DasWAR’S Wie Peter Könnicke zu einem Gesprächstermin kam Das Schwierigste nach dem Urlaub ist die Reintegration ins Arbeitsleben. Man sitzt am Schreibtisch und schaut neidvoll auf die Kollegen, die Termine schruppen und Artikel schreiben.
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DasWAR’S Wie Peter Könnicke zu einem Gesprächstermin kam Das Schwierigste nach dem Urlaub ist die Reintegration ins Arbeitsleben. Man sitzt am Schreibtisch und schaut neidvoll auf die Kollegen, die Termine schruppen und Artikel schreiben. Ständig klingelt das Telefon, nur deins nicht. Als gebe es dich nicht mehr. Als hätte dein Nachruf in der Zeitung gestanden: „Plötzlich und unerwartet ging er in Urlaub. Wir werden ihn vermissen!“ Da kam mir am Mittwoch die Präsentation der Brandenburgische Seniorenwoche für meine Reanimation gerade recht. Eine Woche voller Rentnernachmittage anzukündigen, klingt zwar nicht nach der großen journalistischen Herausforderung. Aber es würde mich zurück ins Berufsleben holen. Also hörte ich mir an, dass man zum Beispiel am 5. Juni mit Erika Dahlke von der Eifelvereinssportgruppe 20 Kilometer wandern kann. Eine Stunde später war ich mehr als bereit, über die mangelnde Kommunikation zwischen Jung und Alt zu schreiben, als mich vor der Wilhelmgalerie in Potsdam ein Mann ansprach. „Na, alles gut?“ Er war vielleicht Mitte 60, trug eine braune Wollmütze und einen schwarzen Mantel. Seine Nase war außergewöhnlich dick. Er sprach deutsch, doch ein leichter ausländischer Akzent war zu hören. Und er war braun gebrannt wie ein Sizilianer. In Gedanken gab ich ihm den Namen Giacomo. „Mir geht’s gut“, sagte ich. „Mir nicht“, sagte Giacomo ungeniert. Er sei seit drei Wochen obdachlos. Er habe in einem kleinem Zimmer in Lichtenberg gewohnt, bis ihn sein Vermieter rausgeschmissen habe. Sein Glück sei, dass er vor Jahren schon eine Rente beantragt habe, die ihm nun bald gezahlt werden würde. Ich hoffte, das es so ist und wollte mich verabschieden. Doch Giacomo redete weiter. Zehn Jahre habe in Hamburg gearbeitet, als Maler und Hilfsarbeiter auf einer Werft. Sein Boss sei dreimal im Jahr in den Urlaub gefahren, „mh, immer schön ins Ausland, schön essen und so“. Und dann habe sein Boss die Firma verkauft, „so wie die Banken sich gegenseitig kaufen.“ Wir standen direkt vorm Hapag-Lloyd-Reisebüro. „Wunschlos griechisch“, war auf einem Plakat zu lesen. Ich überlegte, ob Giacomo nicht auch Grieche sein könnte. Wunschlos war er sicher nicht. Zum Abschied fragte er, ob ich etwas Geld für ihn hätte. Ich ging in die Redaktion und schrieb meinen Artikel. Ab und zu sah ich aus dem Fenster, direkt hinüber zu Hapag-Lloyd. Ich war wieder integriert.
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